Rosi ist herausgefordert
Shownotes
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrer Jrg Machel
aus Berlin
Rosi ist herausgefordert 31.07.2025
Denk an deinen Schpfer in deiner Jugend, ehe die bsen Tage kommen und die Jahre nahen, da du wirst sagen: Sie gefallen mir nicht. (Prediger 12,1) Rosi muss schmunzeln ber dieses Zitat aus dem Predigerbuch in der Bibel. Als Altenpflegerin sieht sie jeden Tag wovon da die Rede ist: sie sieht die bsen Tage des Alters, voller Beschwernisse. Sie selbst gehrt zwar nicht mehr zur Jugend, ist aber noch lange nicht alt und sie soll sich also erfreuen an ihren guten Tagen. Gar nicht einfach, der Bibel zu folgen, selbst da nicht, wo sie es so gut mit einem meint. Rosi arbeitet im Schichtsystem. Mal muss sie sehr frh raus, mal kommt sie erst spt nach Hause. Das stresst nicht nur sie, das stresst die ganze Familie. Und doch ist ihr sehr bewusst. welch ein Segen es ist, gesund zu sein und alle Sinne beieinander zu haben.
Wenn sie liest, wie genau der Prediger Salomon die Mhen des Alters poetisch und bildreich beschreibt, hat sie all die alten Leute vor Augen, um die sie sich Tag fr Tag kmmern muss.
Denk an deinen Schpfer in deiner Jugend, ehe die Sonne und das Licht, der Mond und die Sterne finster werden und die Wolken wiederkommen nach dem Regen, zur Zeit, wenn die Hter des Hauses zittern und die Starken sich krmmen und mig stehen die Mllerinnen, weil es so wenige geworden sind, wenn finster werden, die durch die Fenster sehen, wenn die Tren an der Gasse sich schlieen, dass die Stimme der Mhle leise wird und sie sich hebt, wie wenn ein Vogel singt; wenn man vor Hhen sich frchtet und sich ngstigt auf dem Wege, wenn der Mandelbaum blht und der Eimer zerschellt an der Quelle und das Rad zerbrochen in den Brunnen fllt. Denn der Staub muss wieder zur Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat. (Kohelet 12,1-8)
Viele Bilder erschlieen sich ihr sofort. Ja, die Augen werden schlechter. Die Gliedmaen werden schwach und steif, die Beine krmmen sich und die Mllerinnen, also die Zhne, sind wenige geworden, die Ohren werden taub und die Stimme wird brchig, das Haar wird wei und am Ende wird man zu Staub, muss wieder zurck zur Erde von der man gekommen ist. Das alles sind Bilder fr die Vergnglichkeit, da gibt es nichts zu beschnigen. Mit diesem Gedicht schildert der Prediger das Alter in seiner ganzen Dramatik. Doch das ist kein Klagelied. Der Prediger Salomon richtet den Blick auf die guten Jahren davor, genau genommen gelten seine Worte Rosi.
Und Rosi fhlt sich angesprochen. Ja, das ist ihr nur zu bewusst, dass das Schicksal der Menschen, um die sie sich kmmert, auch ihr mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Auch sie wird einmal auf Hilfe angewiesen sein und dann verkehren sich die Verhltnisse. Oft denkt sie darber nach, wie sie den Ansprchen, die sie an ihre Arbeit hat, gerecht werden kann. Das ist nicht einfach. Die Vorgaben im Job erlauben ihr hufig nicht, den Menschen mit dem Ma an Zuwendung zu begegnen, das sie doch eigentlich erwarten drften. Wird sich das zum Guten wenden oder wird im Gegenteil alles noch schlechter, weil der uere Druck grer wird: mit weniger Geld, weniger Personal und immer mehr alten Menschen?
Und sie denkt ber die Aufforderung des Predigers nach, doch mehr an sich zu denken, gerade jetzt, wo es ihr gesundheitlich gut geht. Und genau das ist die Spannung unter der sie leidet. Denkt sie an die Bedrfnisse der Alten, dann msste sie noch mehr tun, denkt sie an sich, dann ist es schon jetzt zu viel, was sie sich zumutet. Aber davon hatte der Prediger Salomon wohl noch keine Vorstellung.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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