Aus der Geschichte lernen
Shownotes
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Gedanken zur Woche im Deutschlandfunk
Pfarrer Jrg Machel
aus Berlin
Aus der Geschichte lernen 01.08.2025
Wenn ich Israel fr seine Verbrechen im Gazastreifen verurteile, sitze auch ich auf der Anklagebank. Ein Volk, das vor seiner Auslschung stand, reagiert mit dieser Erfahrung in seinem kollektiven Gedchtnis. Als Erbe der deutschen Geschichte habe auch ich Anteil an der Traumatisierung dieses Volkes.
Doch was folgt daraus? Habe ich die Verbrechen der israelischen Armee an den Palstinensern deshalb kleinzureden oder gar zu entschuldigen? Hindert meine Solidaritt mit Israel mich, den Gazakrieg entschieden zu verurteilen?
Aus meiner Sicht zieht die gegenwrtige Politik auch falsche Schlsse aus der auf Deutschland lastenden Schuld. Die Verbrechen an den Jdinnen und Juden fhrte zu Recht zum unverbrchlichen Existenzrecht des Staates Israels. Der Holocaust war aber auch ein Verbrechen an der Menschheit und die daraus resultierende Verantwortung muss in universeller Menschlichkeit mnden.
In Diskussionen gibt es eine Tendenz, Konfliktparteien in gut und bse zu scheiden, die berschneidungen werden vernachlssigt. Dass die Hamas als terroristisch charakterisiert wird, ist angemessen, noch immer hlt sie Geiseln in ihrer Gewalt.
Doch auch im Kampf gegen die Hamas wird immer wieder gegen die Mindeststandards der Humanitt verstoen. Die meisten Opfer im Gazastreifen sind Umhergetriebene, hungernde Menschen im Kampf um ihr berleben.
Selbst wenn die Hamas militrisch besiegt wre, stehen die berlebenden vor und in lauter Trmmern. Stdte und Drfer sind weitgehend zerstrt. Woher sollen die Kraft und das Geld fr einen Wiederaufbau kommen?
Die derzeitige israelische Regierung macht zudem deutlich, dass sie daran auch gar nicht interessiert ist. Ginge es nach ihr, htten die Region, ja die Welt bald weitere hunderttausende palstinensische Flchtlinge zu verkraften.
Flchtlinge haben es schon immer schwer auf der Welt. Dabei war eine der wichtigsten Lehren aus dem Holocaust doch die, dass, Menschen, die an Leib und Leben gefhrdet sind, Schutz bekommen. Es soll nie wieder so sein wie damals an der Grenze zur Schweiz, als die abgewiesenen Flchtlinge direkt nach Auschwitz deportiert wurden.
Wie wrden wir vertriebenen Palstinensern begegnen? Sehen wir in ihnen dann Geflchtete, deren Schicksal zumindest indirekt mit der deutschen Geschichte verknpft ist oder erklren wir uns fr nicht zustndig?
Ich sehe, dass die Antworten der gegenwrtigen Politik ungengend und vielfach widersprchlich sind.
Deutschland liefert seine Waffen nach Israel und in die Ukraine und rstet sich kriegstchtig. Das ist die Lektion, die Deutschland aus seiner Geschichte gelernt haben soll, so hre ich in vielen Diskussionsrunden.
Fr mich ist das die falsche Schlussfolgerung. Als Christ bezweifle ich ganz grundstzlich, dass die Militarisierung dem Frieden dient, selbst wenn viele meiner Glaubensgeschwister das inzwischen anders sehen. Fr mich basiert Friede nicht darauf, dass man das Bse besiegt, sondern dass man es durch Vershnung berwindet.
Ich hoffe, dass die deutsche Politik auch gegen Widerstnde auf eine Weltordnung hinarbeitet, die auf Respekt und auf Recht basiert.
Das bedeutet zum Beispiel, die UNO unbedingt zu strken und den Internationalen Gerichtshof auch gegen die Diffamierung der Gromchte zu verteidigen.
Es widerspricht meinem Glauben, die Welt in Interessenssphren einzuteilen und uns das beste Teil zu sichern. Ich glaube an den Wert der Solidaritt zwischen den Vlkern und an einen Frieden, der darauf beruht, dass alle Menschen vor Gott das gleiche Lebensrecht haben.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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