Schaf sein

Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrer Thomas Drken-Kucharz

aus Frankfurt am Main

Schaf sein 11.08.2025

Streckenweise liest sich die Bibel fast wie ein Handbuch fr Schafzchter. Jedenfalls hat man es dauernd mit Schafen zu tun. Abraham, Isaak und Jakob waren Viehzchter und Vieh hie damals Ziegen und Schafe. Auch Knig David war zunchst Schafhirte. Und was hten die Hirten in der Weihnachtsgeschichte? Natrlich Schafe! In den Erzhlungen der Bibel werden die Schafe und ihre Hter zu jdischen und christlichen Symbolen. Im vielleicht schnsten aller Psalmen ist das zu dem groartigen Bild von Gott als Hirten verdichtet:

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grnen Aue und fhret mich zum frischen Wasser.

Wenn man einen Text neben dem Vater Unser auswendig kennen sollte, dann ist es dieser Psalm 23. Mit ihm kann man leben und sterben. Und das kann man nicht mit vielen Texten.

Im Neuen Testament wird dann Jesus zum guten Hirten, der sein Leben lsst fr seine Schafe. Ich bin der gute Hirte, sagt Jesus im Johannesevangelium. Und Jesu Herde, das ist seine Gemeinde. Wir Christinnen und Christen, sind seine Schafe.

Mein Problem: Ich bin nicht gerne Schaf. Diese stndigen Schafs- und Hirtenbilder fhlen sich fr mich an wie ein Wollpulli auf bloer Haut. Er juckt, kratzt und scheuert und ich will ihn ausziehen.

Ich bin nicht gerne Schaf. Schafe sind dumm. Schafe sind bld. Schafe sind langweilig. Sie sind so langweilig, dass man sie zhlt, um einschlafen zu knnen. Da will ich kein Schaf sein! Und erst recht will ich kein Schaf sein in der Gemeinde und nur schlucken, was die Hirten da vorn oder die Hirten da oben sagen. Ich will kein Stimmvieh sein.

Jetzt denken Sie vielleicht, er ist ja auch kein Schaf, sondern ein Hirte. Ja, ich bin Pastor, Pfarrer. Dennoch passt mir das ganze Bild nicht. Denn das Hirte-Schaf-Bild ist undemokratisch und ihm fehlt jegliche Augenhhe. Schafe fhren kein selbstbestimmtes Leben. Sie folgen einem Leithammel und werden stndig gescheucht vom Htehund oder vom Hirten. Sie drfen eigentlich nie tun, was sie wollen.

Die neueste Forschung zu Schafen widerspricht mir. Inzwischen ist nachgewiesen, dass Schafe nicht dumm sind, sondern ziemlich intelligent. Sie knnen sich sehr gut Gesichter merken. Sie knnen sehr gut auf sich aufpassen und wissen, was ihnen guttut. Schafe seien entgegen der landlufigen Meinung flauschige Intelligenzbestien. Das kann ich im Kopf wahrnehmen, aber noch nicht fhlen.

Flauschige Intelligenzbestien... Da fllt mir eigentlich nur ein Schaf ein, das dem nahekommt und mich mit dem Schafsein vershnen knnte. Es ist ein fiktives Schaf, das so ganz anders ist als die anderen. Ich meine Shaun das Schaf. Es ist ursprnglich und noch immer in der Sendung mit der Maus zu sehen. Und wo es U- und S-Bahnen gibt, begegnet einem Shaun inzwischen an fast jeder zentralen Bahnstation auf den Bildschirmen.

Shaun. Endlich ein Schaf, das nicht bld ist, endlich ein Schaf, das Fantasie hat, das ausbricht, das etwas Anderes erleben will, wo das Leben nicht am Gartenzaun oder am Gatter und schon gar nicht auf dem Schlachthof endet. Shaun ist einer, der anstiftet; der alle aufwiegelt, wenn es sein muss. Einer, der gern Streiche spielt. Mit Shaun wird jeder Tag zum Abenteuer. Er erfindet das Leben und die Welt tglich neu und bringt mich zum Lachen.

Shaun ist ein widerstndiges Schaf. Wenn der gute Hirte der Bibel solche Schafe gebrauchen kann, bin ich auch gern Schaf.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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