Zorn macht heiser
Shownotes
Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/morgenandacht/15252/zorn-macht-heiser
Transkript anzeigen
Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pastor Matthias Viertel
aus Kassel
Zorn macht heiser 30.08.2025
Auch der Zorn ber das Unrecht macht die Stimme heiser. Das hat Bertolt Brecht geschrieben, der Dichter, der sich wie kaum ein anderer fr soziale Fragen engagiert hat und eine Stimme der Unterdrckten sein wollte. Der Satz stammt zwar nicht aus der Bibel, klingt aber so. Und das hat einen Grund: Schon als Schler hatte Brecht einen Einakter mit dem Titel Die Bibel geschrieben und spter fr seine groen Werke immer wieder Anleihen bei biblischen Motiven genommen.
Auch in diesem Gedicht, in dem Brecht ber die Auswirkungen des Zorns rsoniert, schlgt er einen Ton an, der an seine evangelische Erziehung erinnert: Der Zorn ber das Unrecht macht die Stimme heiser. In der christlichen Tugendlehre galt der Zorn als eines der sieben Hauptlaster. In der alten Kirche sprach man sogar von der Todsnde, wenn es um aggressive Wutausbrche geht, mit denen Menschen ber andere Personen oder Dinge herfallen. Etwas eleganter werden sie auch als Affektinkontinenz bezeichnet. Unangenehm sind diese jhzornigen Ausbrche allemal, sowohl bei den andern wie auch bei mir selbst.
Einen Sonderfall gibt es dabei allerdings, dann nmlich, wenn vom Zorn Gottes gesprochen wird. Im Gegensatz zu den Ausfllen der Menschen wird der gttliche Zorn durchaus als sinnvoll erachtet. Als Dies irae, als Tag des Zorns kommt er in jeder Komposition einer Totenmesse zum Ausdruck. Speziell Mozart und Brahms liebten es, den Zorn Gottes gewaltig zum Klingen zu bringen.
Als Erklrung hat Martin Luther ausgefhrt, wie bei Gott die Liebe und der Zorn zusammenkommen. Eine Liebe ohne Gerechtigkeit bleibt irgendwie hohl, und das Pldoyer fr Gerechtigkeit wre schwach, wenn ber die Ungerechtigkeit nicht gezrnt wrde. So wurde zumindest was Gott betrifft der Zorn untrennbar als die engagierte Seite der Liebe gedeutet.
Ob das auch bei den menschlichen Wutausbrchen so ist, bleibt zumindest fraglich. Natrlich hlt jeder Mensch seine eigene Gefhlsuerung erst einmal fr berechtigt, und vermeintlich dient sie stets einem guten Zweck. Der Zorn erlebt gegenwrtig wieder eine Konjunktur: in Bundestagsdebatten, in Internetforen, bei Diskussionsrunden oder auf Demonstrationen. So hufig sind die Beitrge in das Gewand des Zorns gekleidet, obwohl er nicht immer das geeignete Mittel ist, um andere zu berzeugen. Aber darum geht es zumeist gar nicht. Wichtiger ist der Auftritt selbst, so als fhre der Zorn ein Eigenleben.
Genau hier liegt das Problem, dass auch Brecht zu seiner Deutung fhrte. Fr ihn ist klar: Nicht nur die Wutausbrche mit niederen Motiven wirken zersetzend. Auch das, was so gerne als heiliger Zorn ausgegeben wird, hat letztlich eine Verhrtung der Seele zur Folge. Im Zusammenhang lautet die Strophe des Gedichts mit dem Titel An die Nachgeborenen:
Dabei wissen wir doch:
Auch der Ha gegen die Niedrigkeit
Verzerrt die Zge.
Auch der Zorn ber das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten fr Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.
Bertolt Brecht verurteilt nicht jene Menschen, die ihre Wut ausdrcken, weil sie Ungerechtigkeit nicht mehr aushalten. Er hat Verstndnis fr sie und zhlt sich selbst zu ihnen. Das ndert aber nichts am Ergebnis: Mag sein, dass ein beherzter Zornausbruch notwendig ist und Wirkung zeigt, zumindest kurzfristig. Aber auch dieser berechtigte Zorn macht am Ende heiser. In diesem Sinn wurde der Zorn als Hauptlaster oder Todsnde aufgelistet: Nicht, weil im Zorn anderen Menschen die Gefhle um die Ohren geschleudert werden, sondern weil es den zornigen Menschen selbst zum Schaden wird.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
Weitere Sendungen, Informationen, Audios und mehr finden Sie unter:
http://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radio/deutschlandfunk/morgenandacht
Facebook: https://www.facebook.com/deutschlandradio.evangelisch
2
1
Neuer Kommentar