Hospiz
Shownotes
Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/morgenandacht/15256/hospiz
Transkript anzeigen
Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrerin Andrea Wagner-Pinggra
aus Bielefeld
Hospiz 11.09.2025
Vor einigen Wochen ist meine Schwiegermutter verstorben. Zu Beginn der Corona-Zeit war sie an Krebs erkrankt. Die Prognose war schlecht. Ich dachte, sie wrde bald sterben. Aber dann hat sich gezeigt: Ihr Krper war, trotz des Alters, in einem guten Zustand. Die Therapien hat sie mit Gleichmut ber sich ergehen lassen. Sie hat sie gut vertragen. Vor allem war ihr Lebenswille ungebrochen.
Vier Jahre sind ihr geschenkt worden. Sie hat eine letzte groe Reise gemacht und kleinere Ausflge. Im letzten Jahr wurde es dann schwierig. Der Krebs hat sich im Krper ausgebreitet. Schmerzen. Schwche. Appetitlosigkeit. Sie wird schon nach dem Frhstck wieder mde, liegt mehr, als sie auf ist. An Weihnachten ist mir klar: Dies wird ihr letztes Weihnachten sein. Dann geht alles schnell. Krankenhausaufenthalte, ein paar Tage zuhause. Wieder Krankenhaus.
Mit dem Arzt sprechen wir ber einen Platz im Hospiz. Er befrwortet das und will helfen aber wir finden keinen Platz. Die Nachfrage ist viel grer als das Angebot. Darum lassen wir bei ihr zuhause umbauen. Sie bekommt ein Pflegebett, ein Zimmer wird komplett umgerumt. Zwei Sanitter tragen sie in die Wohnung. Sie legen sie ins Bett, das sie nicht mehr verlsst. Nach drei Tagen stirbt sie.
Wir Hinterbliebenen sind total erschpft: von dem Hin und Her, der berforderung ihrem Sterben-Mssen und Nicht-Sterben-Knnen. Es war ein schweres Sterben. Ich htte ihr und uns gewnscht, dass es anders gewesen wre. Leichter. Einfacher. Ich bin berzeugt, ein Hospiz htte ihr geholfen. Uns auch.
In einem Hospiz gibt es Menschen, die wissen, was zu tun ist, wenn sich jemand auf die letzte Reise begibt. Menschen, die das Knnen und Gespr dafr haben, was diesem Sterbenden an dieser Stelle seines oder ihres Weges hilft. Ein Ort, an dem Schmerzen so gut wie mglich gestillt werden. Wo es schn ist und ruhig. Wo die Unruhe ein Ende findet. Wo der Trost wohnt und die Angst weichen kann.
Durch meine Arbeit als Pfarrerin habe ich in den vergangenen Jahren viele Hospize besucht. Ich war dabei, als fr neue Hospize der Grundstein gelegt, Richtfest oder Einweihung gefeiert wurde. Ich kenne Hospize, die ganz neu sind, und solche, die schon 30 Jahre auf dem Buckel haben. Ihnen allen ist gemeinsam: Sie sind freundliche Orte. Orte voll von Leben und Licht. Ich erinnere mich an meine Beklommenheit, als ich das erste Mal ein Hospiz besucht habe. Ich war sehr versucht zu flstern und hatte die Sorge, der Tod wrde durch jedes Schlsselloch linsen.
Aber schnell habe ich mich beruhigt. Hier wird geredet und auch mal gelacht. Hier gibt es Leibgerichte und auch einen Aperitif. Natrlich wird hier geweint und letztlich gestorben. Der Tod bleibt der Tod. Das ist immer traurig, weil ein Mensch nicht mehr ist, sein Leben, ihre Geschichten, seine Hoffnung und ihre Fragen.
Aber das Sterben, das so viele frchten ich auch -, verliert seinen Schrecken. Weil es palliative Mglichkeiten und Seelsorge gibt, die lindern, was Sterben so schwer macht. Und dann kann es tatschlich gelingen, dem Tod ins Auge zu sehen. Ohne Angst. Ihn zu verstehen als bergang in ein anderes neues Leben.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
Weitere Sendungen, Informationen, Audios und mehr finden Sie unter:
http://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radio/deutschlandfunk/morgenandacht
Facebook: https://www.facebook.com/deutschlandradio.evangelisch
2
1
Neuer Kommentar