Jeden Tag so leben, als wäre er mein letzter?
Shownotes
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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur
Pfarrer Martin Vorlnder
aus Frankfurt am Main
Jeden Tag so leben, als wre es mein letzter? 18.09.2025
Lebe jeden Tag so, als ob er dein letzter wre. Dieser Satz drckt Wertschtzung fr jeden einzelnen Tag aus. Wenn ich so lebe, dann ist jede Minute kostbar.
Ich habe eine Freundin, die hatte ihren letzten Tag vor Augen. Sie war Ende 20, als sie die Diagnose bekam: Krebs. Vielleicht zwei Prozent berlebenschance. Die zwei Prozent hat sie ergriffen.
Seitdem feiert sie jedes Jahr zweimal Geburtstag: den Tag ihrer Geburt und den Tag ihrer lebensrettenden Operation. Die anderen 363 Tage des Jahres versucht sie, als besondere Kostbarkeit zu empfinden.
Lebe jeden Tag so, als wre er dein letzter. Es gibt zwei Varianten aus der Bibel zu diesem Satz. Die eine stammt aus Psalm 90: Gott, lehre uns bedenken, dass wir sterben mssen, auf dass wir klug werden. Daraus spricht ebenfalls die Einsicht: Jeder Moment zhlt.
Die zweite biblische Variante hat einen schicken lateinischen Namen: sub conditione Jacobaea. Unter der Bedingung des Jakobus. Damit ist ein Abschnitt aus dem Jakobusbrief im Neuen Testament gemeint. Darin steht: Ihr sagt: Wir wollen in die Stadt gehen und Handel treiben und Gewinn machen und wisst nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Dunst seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet. Stattdessen sollt ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies und das tun. (Jakobus 4,15)
Das ist die Conditio Jacobaea: So Gott will und wir leben. Wer mit dieser Einstellung lebt, respektiert: Wir besitzen die Zeit nicht. Alles ist uns nur auf Zeit geliehen. Mich beeindruckt das. Trotzdem kann ich nicht so leben. Ich kann nicht stndig daran denken: Dieser Tag knnte mein letzter sein. Wenn dem so wre, wrde ich wahrscheinlich alles stehen und liegen lassen, rausgehen und irgendetwas Verrcktes tun, etwas, das meinen letzten Tag zu einem ganz besonderen macht.
Aber ich kann nicht jeden Tag im Ausnahmezustand verbringen. Ich brauche und liebe meinen Alltag. Manchmal trottet er dahin. Vieles ist oft eingefahren. Manche Aufgaben nerven und machen mich gereizt.
Wenn ich wsste: Heute ist mein letzter Tag, wrde ich nicht nur verrckte Sachen machen, sondern den Menschen in meiner Nhe nur nette Worte sagen. Das nehme ich mir oft vor. Aber das klappt nicht jeden Tag. Ich sage unbedachte oder verletzende Sachen. Vielleicht werde ich einmal erschrecken: O Gott, und das Letzte, das ich zu ihm gesagt habe, war: Du bist schon wieder zu spt.
Aber all das macht Leben aus. Zu ihm gehren das Nervige und Langweilige genauso wie das Auergewhnliche und Sensationelle. Mal sehen, was davon dieser neue Tag bringt. So Gott will und wir leben.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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