Warum müssen die Gerechten leiden?

Shownotes

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrerin Melitta Mller-Hansen

aus Mnchen

Warum mssen die Gerechten leiden? 27.09.2025

Warum muss der Gerechte leiden? Es gibt 150 Psalmen in der Bibel und fast alle 135 stellen diese Frage. Warum muss der Gerechte leiden? Wie die Psalmen damit umgehen, finde ich inspirierend. Sie geben mir andere Denkmuster. Sie helfen mir, irgendwie herauszukommen aus Panik und Geschrei, das immer wieder ausbricht, wenn etwa Unschuldige bei einem Anschlag zu Tode kommen. Es ist wie das Einben eines anderen Alphabets. Mit denselben Buchstaben. Meinen Glauben neu durchbuchstabieren

So lese ich Psalm 34. Er packt seine Antworten in das ganze hebrische Alphabet. Jeder Psalmvers beginnt mit einem Buchstaben des Aleph Beth, bis es komplett ist. Zerbrochene Herzen, Menschen, die den Lebensmut verlieren. Und immer wieder Leid, Unglck, das ber den Gerechten kommt. Darum kreist der Psalm ab seinem 16. Vers.

Die Augen der Ewigen ruhen auf den Gerechten,

ihre Ohren hren auf ihren Hilfeschrei.

Das Angesicht der Ewigen blickt auf die, die Bses tun,

um deren Gedenken von der Erde zu tilgen.

Nahe ist die Ewige denen, deren Herz gebrochen ist,

deren Lebensmut zerschlagen ist, die befreit sie.

Gro ist das Unglck der Gerechten

aus all dem errettet sie die Ewige.

Sie bewahrt alle ihre Knochen,

keiner von ihnen wird zerbrochen werden.

Die Bses tun, wird Bosheit tten,

die die Gerechten hassen, laden Schuld auf sich.

(Psalm 34, 16-22, Bibel in gerechter Sprache)

Auf die Frage, warum die Gerechten leiden, gibt es keine Antwort. Aber es herrscht eine klare Ordnung in diesen Versen: Die Gerechten hier die Bsen da. Sie stehen einander gegenber. Wie zwei Lager, wie zwei Blcke. Und Gott ist parteiisch auf der Seite der Gerechten und Leidenden. Die anderen werden verderben, heit es.

Die Gerechten hier und die Frevler da. Der Psalm spielt eine Eindeutigkeit vor, die es so nicht gibt oder nicht immer gibt. Man gehrt nicht immer eindeutig zur einen oder zur anderen Gruppe.

Die Bibelwissenschaftlerin Ursula Rapp versucht, diese strikte Aufteilung von Menschen in gute und bse zu berwinden. Und so bersetzt sie nicht mehr so, dass Personen damit identifiziert werden. In ihrer bertragung sind es Haltungen: Aus dem Frevler wird das Frevlerische, aus dem Bsen das Bse. So knnte es im Psalm 34 dann heien:

Das Angesicht der Ewigen blickt auf bse Taten, um sie von der Erde zu tilgen.

Fr mich ist das ein neuer Denkweg. Wenn ich die Bsen, die Frevler denken muss, drifte ich leicht in Hassgefhle ab. Und das vergiftet mich selbst. Ich muss damit Tag und Nacht leben, der Gehasste bekommt im besten Fall gar nichts mit davon. Oder ich bleibe in Selbstgerechtigkeit stecken, im Rechthaben. Die gttliche Gerechtigkeit durchbuchstabieren geht anders. Sie beginnt in meinem Herzen.

Das Herz ist der Mitteort in uns, sagt Ursula Rapp, wo wir am tiefsten unseren Weg, unsere Sehnsucht spren. Und sie erzhlt von einer Unterscheidung, die mich berhrt. Es gibt das Muskelherz und das stille Herz (Franziska Tillmanns): Das stille Herz ist in der Mitte der Brust und umfngt das Muskelherz, das unermdlich schlgt. Das Muskelherz ist wunderbar stark, doch es ist manchmal ein Kind, ein ngstliches. Mein Muskelherz wnscht sich Frieden, es glaubt ihn zu brauchen, es bedarf des Friedens. Doch das stille Herz trgt alles. Das stille Herz wei mehr. Das stille Herz ist berall, es ist in den Bumen, am Gipfel der Berge, am Grund der Meere. Es ist still und voller Se.

Dass die Gerechten immer wieder leiden - vielleicht hilft mir dieses stille Herz, das auszuhalten.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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