Jesus mit der Knarre?
Shownotes
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrer Martin Vorwald
aus Hannover
Jesus mit der Knarre? 09.10.2025
Mein erster Eindruck war, dass er aussah wie ein Heiliger. Nicht Christus, eher Johannes der Tufer. Er hatte etwas Biblisches, strahlte etwas aus, selbst so voller Blut. (dlf kultur) Das hat ein britischer Fotograf am 9. Oktober 1967 gesagt (Brian Moser). Da steht er vor dem Leichnam von Che Guevara. Der Guerilla-Kmpfer und Held der kubanischen Revolution wurde heute vor 58 Jahren in Bolivien erschossen.
Die Fotos von dem aufgebahrten Toten haben etwas Ikonisches. Sie hneln den Gemlden von der Beweinung Christi, einem im Sptmittelalter gngigen Bildtypus. Geschundener, zerbrochener Krper, Wundmale, still trauernde Menschen. Vielleicht wollten viele Che Guevara genauso sehen. Einen skularen Christus, der zur Knarre greift, um fr die Nchstenliebe einzutreten. Jemanden, der sich selbst in die Waagschale wirft.
Che Guevaras Lebensgeschichte trgt Zge einer Heilgenlegende. Und er selbst hat diesen Vergleich bedient. Obwohl es heit, er sei nicht sonderlich religis gewesen. Wie Franz von Assisi lsst El Che seine brgerliche Existenz hinter sich, wendet sich den Kranken und Unterdrckten zu, will ganz fr sie da sein.
Geboren 1928 in Argentinien als Ernesto Guevara de la Serna wchst er in einer wohlhabenden Familie auf, studiert Medizin, wird Arzt. Ernesto reist mit dem Motorrad durch Sdamerika, ist erschttert von der Armut der Bauern. Genauso von der Skrupellosigkeit der Grogrundbesitzer, wie sie die Not der Menschen ausnutzen. Als Ernesto Fidel Castro kennenlernt, schliet er sich der kubanischen Revolution an, wird zu El Che, dann Commandante, spter Mitglied der neuen kubanischen Regierung.
Doch die politische Realitt entwickelt sich anders als erhofft. 1965 legt Che alle mter nieder, taucht ab, geht inkognito nach Bolivien, verffentlicht ein Manifest. Darin ruft Che dazu auf, fr die heilige Sache der Erlsung der Menschheit" zu kmpfen. Aber die bolivianischen Bauern in den Anden wollen sich von ihm nicht befreien lassen. Er wird verraten, verhaftet, exekutiert.
Wenige Tage vor seinem Tod soll er ein religises Gedicht rezitiert haben: Christus, ich liebe dich / Du hast uns gelehrt, dass der Mensch ... / ein armer, gekreuzigter Gott ist wie du. / Und dass der zu deiner Linken in Golgatha /der schlechte Dieb / auch ein Gott ist.
Bevor Che Guevaras Leichnam fr die Aufbahrung vorbereitet werden kann, trifft ein Schweizer Pater ein. Er segnet den leblosen Krper, spricht ein Gebet. Abends hlt er eine Messe fr Che und fr alle anderen, die an diesem Tag ihr Leben verloren haben. Die Fotos vom toten Che werden wie Ikonen weitergereicht, betrachtet oder gerahmt. Das kubanische Volk verabschiedet sich von ihm mit einem Treueschwur: Hasta siempre, Commandante | Bis in alle Ewigkeit, Kommandant. Und DER SPIEGEL titelt damals Erlser aus dem Dschungel (Nr. 31 / 28.07.1968).
Aber Che Guevara war kein Heiliger. Er konnte grausam sein, kaltherzig, hat selbst etliche Hinrichtungen angeordnet. Die quasireligise Verehrung deckt das alles zu, vertuscht die Schattenseiten.
Mag sein, dass Nchstenliebe in einigen Fllen auch mit Waffengewalt erstritten werden muss. Wie beispielsweise 1945 gegen das Nazi-Regime. Aber daraus lsst sich keine Regel machen.
Che Guevara sieht man auf manchen Fotos mit Bart, langen Haaren und Sehnsuchts-Augen. Das erinnert an Darstellungen von Jesus Christus. Aber Jesus trug keinen Kampfanzug, keine Waffe. Was Jesus lehrte und lebte, eignet sich nicht fr die grundstzliche Legitimation von Gewalt. Jesu Satz Meine Kraft ist in den Schwachen mchtig bleibt ein Stoppschild fr eine Haltung, die nur auf Strke setzt.
Der Kult um Che Guevera war Ende der 1960er, Anfang der 70er Jahre besonders gro. Nach wie vor hat er eine sakrale Note. So sind Menschen wohl. Die Sehnsucht nach dem Heiligen ist gro. Sie zeigt: Glaube Hoffnung Liebe, ohne diese drei ist die Welt kaum zu verndern. Froh ber jeden, in dem sich zumindest ein Teil dieser Trias manifestiert.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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