Die Magie eines Möbelhauses
Shownotes
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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur
Pfarrerin Hannah Clemens
aus Wernigerode
Die Magie eines Mbelhauses 14.10.2025
Blaue Hose, gelber Pulli. Diese Farb-Kombi wrde ich nicht tragen. Und wenn mir jemand so begegnet, muss ich an zwei Dinge denken: an die Flagge der Ukraine und an die Farben eines schwedischen Mbelhauses.
Ein Mbelhaus unter vielen, und doch hat es einen Sonderstatus. Kaum eine Studierenden-WG, kaum ein Jugendzimmer, in dem sich nicht mindestens ein Regal dieser Marke zum Selberaufbauen findet.
Das erste Mal war ich mit Anfang 20 dort. Ich war zunchst ziemlich verloren. Fremd war mir diese gelb-blaue Welt. Zum Glck war meine Cousine dabei. Sie gab mir meine erste typisch gelbe Einkaufstasche und zeigte mir, wie das hier funktioniert.
Eigentlich wollte ich blo ein kleines Wandregal. Aber ich kam mit viel mehr raus als geplant. Zum Schluss hatte ich auer dem Regal Geschirr, Pflanzen und Deko gekauft, auerdem Hotdog und schwedische Ktbullar gegessen.
Eine Welt mit eigenen Regeln. Sie weckt Bedrfnisse, von denen ich vorher nicht wusste, dass ich sie habe. Nach diesem ersten Besuch habe ich gedacht: Vielleicht geht es Menschen hnlich, wenn sie das erste Mal eine Kirche betreten und einen Gottesdienst erleben. Das ist ebenfalls eine Welt mit eigenen Regeln.
Man nimmt Platz auf einem Mbelstck, das es sonst nirgends gibt auf einer Kirchenbank. Man hat ein grnes oder rotes dickes Buch in der Hand ein Gesangbuch. Man hrt ein Instrument, das sonst selten vorkommt: eine Orgel.
Wenn diese Welt mit ihren eigenen Regeln gut ist, dann weckt sie Wnsche, von denen man vorher nicht wusste, dass man sie hatte. Den Wunsch nach Sinn hinter den alltglichen Dingen, die Schnheit von Gemeinschaft, die Erfahrung von heiligen Momenten.
Wenn keine Begleitung da ist, die einen bei der Hand nimmt so wie mich meine Cousine in dem Mbelhaus, dann bleibt es vielleicht eine fremde Welt. Dann findet man nicht, was es zu entdecken gbe.
Ich brauche fr meinen Glauben andere Menschen, die mir zeigen, wovon ich nicht wusste, dass es das gibt. Es gibt diese Magie: zu finden, was ich vorher nicht gesucht habe. Diese Magie erlebe ich in der Kirche: Menschen, die einander an die Hand nehmen, lieb gewonnene Rituale teilen, einander erzhlen, was sie in Krisen trgt und ihnen Hoffnung gibt. Die einander erklren, warum sie gern in die Kirche kommen und was sie mit in ihren Alltag nehmen. Und warum das ein Erlebnis ist, bei dem es nicht um Effizienz geht. Sondern ein Ausflug in eine andere Welt. Zum Schluss gehe ich mit mehr raus, als ich vorher gedacht habe.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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