Mit-Mensch
Shownotes
Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/wort-zum-tage/15318/mit-mensch
Transkript anzeigen
Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur
Pfarrerin Hannah Clemens
aus Wernigerode
Mit-Mensch 15.10.2025
Ich habe eine ambivalente Beziehung zu meinem Smartphone. Denn das Ding verdirbt mir regelmig die Laune. Gerade freue ich mich noch ber die Morgengre meiner Oma bei WhatsApp, da sehe den Status einer Bekannten: Sie macht Werbung fr eine rechtsextreme Partei. Kommt alle! Wir holen uns unser Land zurck!
Und ich fhle mich pltzlich fremd. Mich erschreckt, dass in meinem Bundesland Sachsen-Anhalt laut Umfragen immer mehr Menschen rechtsextrem whlen wollen. Ich kann das kaum fassen.
Ich mag die Menschen in meiner Region. Und da ich ihnen als Pfarrerin nicht nur oberflchlich im Supermarkt ber den Weg laufe, wei ich auch: Wenn die Oma stirbt, sind sie traurig. Und wenn das Enkelchen geboren wurde, dann feiern sie mit den jungen Eltern. Ob sie an Gott glauben oder nicht: Die meisten freut es, wenn ich fr sie bete oder sie segne. So ziemlich alle Menschen, denen ich begegne, schtzen Zusammenhalt und ein frsorgliches Miteinander.
Und ich bekomme das nicht zusammen damit, dass sich laut Umfragen so viele nicht an hetzerischen Parolen stren. Auch nicht meine Bekannte im Status meines Smartphones. Ich habe ein mulmiges Gefhl im Bauch. Angst vor der Zukunft, aber auch Wut arbeiten in mir. Am liebsten wrde ich der Person eine gepfefferte Nachricht schreiben. Oder den Kontakt lschen. Beides wrde nichts bringen. Das ist mir klar.
Aber was dann? Am Anfang meiner Ausbildung zur Pfarrerin wurde mir ein Bibelvers zugesprochen. In solchen Momenten zwischen Angst und Wut denke ich an ihn. Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. (2. Timotheus 1,7)
Ich verstehe das in solchen Momenten wie eine Handlungsanleitung. Zuerst Besonnenheit, das heit: mich beruhigen. Wut und Angst nicht zur treibenden Kraft werden lassen. Stattdessen mich an die Liebe erinnern, die mich mit anderen verbindet. Die Person vor mir, in diesem Fall meine Bekannte im Smartphone-Status in erster Linie als Mensch wahrnehmen, die ihre Oma oder Enkelkinder im Herzen hat.
Und zuletzt: Nicht den Mut verlieren, sondern die Kraft spren, die Gott mir gibt, damit ich weiter fr das eintreten kann, was ich fr wichtig halte. Ich wnsche mir, dass dieser Geist mich erfllt. Und ich beim nchsten Treffen den Mut habe, meine Bekannte auf ihren Status anzusprechen, nicht geleitet von Wut und Angst. Sondern von Kraft, Liebe und Besonnenheit.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
Weitere Sendungen, Informationen, Audios und mehr finden Sie unter:
http://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radio/deutschlandfunk/morgenandacht
Facebook: https://www.facebook.com/deutschlandradio.evangelisch
2
1
Neuer Kommentar