Verweilen

Shownotes

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pastor Susanne Richter

aus Hamburg

Verweilen 20.10.2025

Neulich habe ich mit jemandem heftig diskutiert. Er regt sich darber auf, wie Sprache sich wandelt und verndert wird. Da habe ich den Spie einfach mal umgedreht und ihn gefragt: Welche Wrter findest du schtzenswert? Das hat dem Gesprch eine neue Richtung gegeben. Und wir hatten Freude daran, einander unsere schtzenswerten Lieblingswrter zu nennen.

Seitdem gucke ich, welche Wrter ich behalten mchte. Verweilen gehrt dazu. Verweilen ist ein Sehnsuchtswort. Der Snger und Rapper mit Knstlernamen Herr Maria hat ein Lied dazu geschrieben:

Ich htt so gern ein Leben zum Verweilen. () Ich htt so gern mehr Hoffnung in die Zeiten (). Ich htt so gern von irgendwo ein Zeichen () ein Leben zum Verweilen. Ich htt so gern in diesem Leben einen Sinn. Es zieht mich jeden Tag woanders hin.

Verweilen. Nicht rastlos durch die Gegend sausen mssen. Sich hingeben knnen. Weil es einen tragenden Sinn gibt. Im Video zu dem Song sieht man einen jungen Mann tanzen, Freestyle. Ohne Choreografie. Anscheinend absichtslos.

Ein Verweilen in Bewegung, das keinem Plan folgt. Wunderbar widerstndig gegen meine To-Do-Listen, mit denen ich in die Arbeitswoche starte. Die sind nicht schlecht. Aber das Wort Verweilen tut gut als herrlich absichtsloser Kontrapunkt. Es unterwirft sich nicht dem Alles-durchtakten-Mssen.

Ins Verweilen ist Zeit eingebaut. Verweilen lsst berraschungen zu, eine neue Perspektive, vielleicht sogar etwas Heiliges. Verweilen heit: Ich bleibe - ohne sichtbaren Sinn oder Zweck. Das ist Luxus.

Das Wort Verweilen bezieht sich auf schne Situationen. Zum Beispiel: Dieser Park ldt zum Verweilen ein. Aber es kann auch ausharren und aushalten bedeuten. Ich verweile an einem Krankenbett.

Wenn ich verweile, dann bleibe ich in einer Situation. Das fordert innere Prsenz. Fr mich und die anderen. Sonst wrde aus dem Verweilen ein Abhngen und Rumhngen. Das hat eher eine verdrossene Natur. Verweilen steigert dagegen den Wert dessen, was passiert ist. Dabei wird das Gute innerlich gefestigt.

Goethe hat das Verweilen berhmt gemacht. Er lsst Faust zu dem Augenblick sagen: Verweile doch, du bist so schn! Das sagt Faust bei der Wette mit Mephisto. Das knnte das Verweilen ins Zwielicht rcken. Aber der Wunsch, den Augenblick festzuhalten, muss nicht zum Pakt mit dem Teufel fhren.

Im Gegenteil: Jesus ruft dazu auf, die Gott geschenkte Zeit auszukosten. Ich vermute, Jesus war ein groer Verweiler. Er ist nicht durch Galila gehetzt und gleich weitergerannt nach seinen Heilungen und Wundertaten. Er ist bei Menschen eingekehrt, hat bei ihnen verweilt.

Durch die Begegnungen mit ihm hat sich fr sie Entscheidendes verndert. Es ging nicht um Flieband-Heilung und nicht um Exorzismus-Patient Nummer 23. Jesus war ein wirkliches Gegenber.

Ich wnsche mir Verweilen fr diesen Montag. Ich will den Tag nicht einfach abhaken. Das knnen die fnf extra wunderbaren Minuten sein, die ich vor dem Supermarkt noch mit der Nachbarin rede. Oder der Weg von einem Termin zum anderen, in dem ich nicht zu erledigende Telefonate packe, sondern einfach so auf der Strae unterwegs bin. Das belegte Brtchen zwischendurch nicht schnell-schnell essen, sondern genieen.

Meine Herausforderung beim Verweilen ist: Ich werde immer so schnell unruhig. Als wre Verweilen faul oder verkehrt. Als knnte mir alles entgleiten, wenn ich nicht jede Minute fr Erledigungen nutze. Einfach so Zeit bereit zu halten zum Verweilen, das kann sich selbstvergessen anfhlen. Auf der anderen Seite: Jeder Tag bringt mit sich, was zu tun ist. Und ein bisschen etwas zum Verweilen msste doch auch drin sein.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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