Schande und Vergeltung?

Shownotes

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Militrdekan Dirck Ackermann

aus Berlin

Schande und Vergeltung? 30.10.2025

Orte des Krieges gibt es viele. Ich suche nach Orten, an denen Menschen sich verstndigen und vershnen. In diesem Sommer bin ich zum Gut Kreisau gereist. Das liegt in Polen. In der Nazi-Zeit traf sich hier regelmig zu Pfingsten der sogenannte Kreisauer Kreis. Eine Widerstandsgruppe gegen das Hitler-Regime.

Ich fahre bei Sommerwetter durch die sanfte Hgellandschaft Niederschlesiens. Das Gut Kreisau erstrahlt in warmem Sonnenlicht. Ich gehe die herrschaftlichen Treppen hinauf und blicke auf zwei Wandfresken.

Auf der einen Seite ist eine Szene dargestellt: Marodierende franzsische Soldaten ziehen durch das Burgtor der Hansestadt Lbeck. Rechts unten im Gemlde sehe ich einen Jungen. Er blickt mit Schrecken auf das Geschehen. Neben ihm seine Mutter. Sie weint und hat ihren Kopf an die Schulter ihres Ehemanns gelehnt. Das Fresko erinnert an die Besetzung Lbecks durch die napoleonischen Truppen 1806. Der Junge ist der sptere preuische Feldmarschall Moltke. Er hat als Kind die Besetzung erlebt.

Auf der anderen Seite das Gegenstck. Dieses Wandgemlde zeigt den Einmarsch der preuischen Armee in Paris whrend des deutsch-franzsischen Krieges 1871. Im Hintergrund der Arc de Triomphe, Monument fr Siege Napoleons. Im Vordergrund eben jener preuische Feldmarschall Moltke. Am Bildrand wieder ein Junge, diesmal ein Franzose. Auch er erschrocken ber die fremden Soldaten.

Zwei Fresken. Das eine trgt den Titel Schande, das andere Vergeltung. Beide entstanden zum 100. Geburtstag des Feldmarschalls um 1900. Die Bilder sind Zeugen des damaligen Zeitgeistes. Auf Schande muss es Vergeltung geben.

Wir wissen heute, was daraus folgte. Erstaunlich ist der Junge auf beiden Bildern. Trotz des Vergeltungsdenkens zeigt er: Krieg ist immer schrecklich. Und Kinder leiden besonders.

Ich wei nicht, ob das die Absicht des Knstlers war. Aber ich sehe in seinen Fresken die Trauer: Da erlebt ein Kind die Schrecken des Krieges und wird dann selbst ein Feldmarschall und fgt einem anderen Kind den Schrecken zu, den es damals erlitten hat. Ist das ein ewiger Kreislauf von Gewalt und Leid? Kann man ihn durchbrechen?

Auf dem Gut Kreisau wird das heutzutage versucht. Seit 1998 ist es eine internationale Begegnungssttte fr Jugendliche. Hier treffen sich junge Menschen aus Europa. Sie lernen: Verstndigung ist mglich ber Grenzen hinweg. Gut so. Das ist wichtig gerade in diesen Zeiten.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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