Sonnengesang
Shownotes
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Superintendent Jan von Lingen
aus Northeim
Sonnengesang 04.11.2025
Er ist einer der groen Dichter Italiens: Giovanni Bernardone. Im Winter 1224/1225 dichtete der schon schwer kranke und fast blinde Mann in den Hgeln Umbriens ein ganz besonderes Gedicht. Erstaunlich: Nicht 100, nicht 200, nein 800 Jahre ist sein Text im Gedchtnis geblieben. Es ist der sogenannte Sonnengesang des Franz von Assisi, so wurde der Autor bald genannt. Sein Liedtext gilt als ltestes Werk der italienischen Literatur und beginnt so: Gelobt seist du, mein Herr, mit all deinen Geschpfen
Ich stelle mir Franz von Assisi vor, wie er das schreibt: Um ihn herum ist alles dunkel. Geschwcht ist er von einer schweren Augenkrankheit. Aber sein Herz, so verstehe ich seine Zeilen, ist voller Jubel fr den Schpfer, der Bruder Sonne gemacht hat und Schwester Mond, Sterne und Winde, Feuer und Wasser alles Brder und Schwestern.
In den Monaten vor seinem Tod schrieb er dieses Gedicht, im Dialekt Umbriens und vielfach in die Sprachen unserer Welt bersetzt und geliebt: Gelobt seist du, mein Herr, mit all deinen Geschpfen. Schwester Sonne besonders, die den Tag macht und durch die du uns erleuchtest. Schn ist sie und strahlend mit groem Glanz, ein Bild von dir, du Hchster.
Wer htte gedacht, dass jener Kaufmannssohn einmal Geschichte schreiben wrde, ja, dass sein Lied genau acht Jahrhunderte spter noch gelesen, gebetet und gesungen werden wrde? Seine Kindheit und Jugend verlief zunchst ganz normal. Franz von Assisi wchst auf als Sohn reicher Eltern. Es fehlt ihm an nichts. Er sammelt Freunde um sich, feiert viel. Macht Karriere im Militr. Aber dann gert er als junger Offizier in Gefangenschaft, und er wird schwer krank. Das verndert sein Leben.
Zurck in Assisi zieht er vor den Augen einer groen Volksmenge seine prunkvollen Kleider aus. Er verlsst das Elternhaus und die Stadt. Seine Braut heit nun Armut. Er lebt zurckgezogen, als Einsiedler. Er entwickelt ein besonderes Gespr fr die Natur. Im Sonnengesang besingt er nicht mehr wie frher Reichtum oder militrische Strke, sondern die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde: Gelobt seist du, Herr, durch Bruder Mond und die Sterne. Durch dich sie funkeln am Himmelsbogen und leuchten kstlich und schn.
Manche hielten ihn fr verrckt. Auf andere bte Franz von Assisi, bald nach seiner Entscheidung, Mnch zu werden, eine groe Faszination aus. Er sammelt Gefhrten um sich. So entsteht der Franziskanerorden. Franz und seine Freunde zeichnen sich durch eine besondere Demut aus. Sie achten die Natur. Legenden erzhlen, Franz von Assisi habe sogar den Vgeln gepredigt und einen Wolf gezhmt.
Und was geschieht, wenn wir dieses 800 Jahre alte Gebet sprechen oder als Lied singen? Franz lehrt uns Heutige seine besondere Sichtweise: Wir schauen dann nicht von oben oder von auen auf die Schpfung. Wir sind ein Teil von ihr. Sind Geschwister unter Geschwistern. Sonne, Mond, Erde, Tiere und Pflanzen, sagt Franz von Assisi, sind mit uns verbunden als wren sie Geschwister.
Doch wir erleben anderes: steigende Temperaturen, Trockenheit, berschwemmungen - und die Frage stellt sich: Welche Rolle spielen wir Menschen? Haben wir Raubbau an der Natur betrieben? Wie viel Lebensraum lassen wir den Mitgeschpfen? Wenn ich den Sonnengesang heute lese oder singe, hre ich die Frage: Was kannst du tun zur Bewahrung der Schpfung? Wo kann dein Lebensstil einfacher und dein Umgang mit der Schpfung respektvoller werden?
Die letzten Zeilen widmet Franz der Vershnung unter den Menschen: Gelobt seist du, mein Herr, durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen. Selig jene, die solches ertragen in Frieden. Naturverbundenheit und Friedensethik beides brauchen wir und sehnen uns danach. Auch 800 Jahre nach der Entstehung des Sonnengesangs von Franz von Assisi.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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