Tischgeschichten
Shownotes
Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/morgenandacht/15395/tischgeschichten
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Superintendent Jan von Lingen
aus Northeim
Tischgeschichten 06.11.2025
Ich sitze gern an dem schweren Eichentisch in unserer Kche. Das alte Holz erzhlt viele Geschichten: Da eine Maserung, dort ein Wasserfleck und am Rand eine Kerbe wer mag an diesem Tisch schon alles gesessen haben? Hier wurde erzhlt und gelacht, beraten und geschwiegen, vor allem aber gemeinsam gegessen und getrunken. Der alte Esstisch ldt geradezu dazu ein: Nimm dir Zeit, nimm Platz. Rck doch auch mal wieder mit Freunden und Familie zusammen, sto an. Tische laden dazu ein und erzhlen viele Geschichten.
Als ich klein war, fanden wir sechs Kinder samt unseren Eltern am Esstisch Platz. Spter, als meine Frau und ich mit unseren beiden Kindern um den Tisch saen, war es etwas bersichtlicher, aber nicht viel anders. Inzwischen ist der Tisch zu gro fr uns beide. Die Kinder sind aus dem Haus. Dafr lmmelt sich der Hund unter dem Tisch zu unseren Fen. Trotz aller Vernderung: Der Tisch ist und bleibt ein Bild, ein Symbol fr die Gemeinschaft. Ich vermute: Viele haben einen besonderen Tisch in Erinnerung. Ein eigener Tisch oder einer, an dem wir gern zu Gast waren. Eine gedeckte Tafel an Festtagen zum Beispiel.
Sich zu jemandem an einen Tisch setzen, kann ein Leben verndern. An einen Tisch setzt sich Jesus. Und mit diesem Moment und an diesem Tisch beginnt ein neues Leben fr sein Gegenber, einen Mann, der von allen anderen gemieden wurde. Er war ein Kollaborateur, ein Kriegsgewinnler, der fr die Rmer Abgaben und Gebhren erhob und viel in die eigene Tasche steckte. Wer setzt sich schon zu einem, der mit der verhassten Besatzungsmacht kooperiert? Jesus tut es. Er isst, trinkt, spricht, hrt zu und fr den Mann namens Zachus lst sich etwas: Er verspricht, die Hlfte seines Vermgens den Armen zu geben und illegal Abgepresstes vierfach zu erstatten. So beginnt ein neuer Lebensabschnitt am Tisch dieses Zllners.
Warum tut Jesus das? Was treibt ihn an? Einmal erzhlt Jesus dazu ein Gleichnis. Es war ein Mensch, der machte ein groes Festmahl und lud viele dazu ein. Doch die Eingeladenen entschuldigten sich. Die Pltze fllten sich nicht. Da sagte der Gastgeber zu seinem Knecht: Sorge dafr, dass mein Haus voll wird. Die Tren stehen offen. Sag allen: Kommt einfach, nehmt Platz. Und pltzlich wird diese eigentlich ganz husliche Alltagsgeschichte zu einem Raum fr eine wunderbare innere Erfahrung: So gro ist Gottes Gte, so reichlich seine Gnade als wrde ich unvermittelt zu einem Festmahl eingeladen. Ich darf kommen, du darfst kommen. Platz nehmen. Bei Gott sein. So wie ich bin, so wie du bist.
Und wie ist es heute mit unseren Tischgemeinschaften? Gemeinsames Essen strkt den Zusammenhalt noch heute. Auch wenn es schwerer wird, die Zeit dafr zu finden. Dennoch essen beinahe alle Kinder und Jugendlichen mindestens einmal am Tag gemeinsam mit einem Familienmitglied. Das hat eine Studie des Robert Koch-Instituts vor einigen Jahren gezeigt (1). Die Mahlzeit vorbereiten, Kinder vielleicht sogar beteiligen beim Aufdecken. Statt fernsehen vom wirklichen Leben erzhlen und einander zuhren: Dann wird daraus eine richtige Mahlzeit.
Ich kenne immer weniger, die vor dem Essen ein Gebet sprechen wie Alle guten Gaben, alles, was wir haben, kommt, o Herr, von dir; wir danken dir dafr oder Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast. Ob unsere Tische heute zu reichlich gedeckt sind? Vielleicht ist alles zu selbstverstndlich, ja gewhnlich geworden. Statt auf den Kreislauf der Natur zu schauen, werfen wir ja eher einen Blick auf das Haltbarkeitsdatum der Ware im Khlschrank.
Dabei geht ein Dank frs Essen auch heiter, knapp und frhlich. Warum nicht mit Kindern zu Beginn einfach dieses kleine Gebet sagen? Herr, lass deinen Segen ber unsere Teller fegen! Und wenn mans vergisst? Kein Problem! Dann geht es auch so: Hab` ich glatt vergessen, dir zu danken vor dem Essen. Magen voll und Teller leer, dank ich dir halt hinterher!"
Es gilt das gesprochene Wort.
(1) Zu finden unter RKI Familienaktivitten
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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