Scherben

Shownotes

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrerin Kathrin Oxen

aus Berlin

Scherben 10.11.2025

Heute, am Morgen des 10. November vor 87 Jahren wurden in den greren Stdten in Deutschland Scherben von der Strae gefegt und letzte Brnde gelscht. Unter den Fen der Passanten knirschte das Glas der Schaufenster, Rauchgeruch hing in den Straen. Fast 1500 Synagogen haben die Nazis und ihre Gehilfen in Brand gesetzt. Sie haben die Geschfte jdischer Inhaber zerstrt und ausgeplndert. Die Leute sprachen hinterher viele Jahrzehnte lang verharmlosend von der Reichskristallnacht - eine Erinnerung an die vielen Scherben dieser Nacht berall auf den Gehsteigen.

Ich habe vor zwei Jahren an einem Gedenkweg in Berlin teilgenommen. Er fhrte auch ber die Tauentzienstrae und den Kurfrstendamm, wo es besonders viele jdische Geschfte gegeben hat. Der Kudamm ist auch heute noch voller Schaufenster. Ich ging an ihnen vorbei und stellte sie mir alle zerbrochen vor. Ich dachte: Was haben wohl meine damaligen Kollegen, die Pfarrer an der Kaiser-Wilhelm-Gedchtnis-Kirche in Berlin, zu den Verwstungen gesagt? Sie mssen sie ja direkt vor den Tren der Kirche gesehen haben. So schnell konnte niemand das alles wieder aufrumen. Sie haben sich vielleicht ihre Gedanken gemacht. Aber sie haben nichts dazu gesagt. Protestierende Protestanten gab es wenige.

Zu den wenigen gehrte Elisabeth Schmitz, eine Lehrerin aus Berlin. Sie hat bereits 1935 klarer als viele andere erkannt, was mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus auf die Jdinnen und Juden in Deutschland zukommt. Vergebens versuchte sie, auch die in der sogenannten Bekennenden Kirche versammelten Christinnen und Christen zum Widerstand gegen die Entrechtung und Verfolgung von Jdinnen und Juden zu bewegen.

Elisabeth Schmitz sagte spter: Als wir am 1. April 1933 schwiegen, als wir schwiegen zu den Strmerksten, zu der satanischen Hetze in der Presse, zur Vergiftung der Seele des Volkes und der Jugend, zur Zerstrung der Existenzen und der Ehen durch sogenannte 'Gesetze', zu den Methoden von Buchenwald - da und tausendmal sonst sind wir schuldig geworden am 10. November 1938.

Manchmal, wenn ich auf dem Weg zur Gedchtniskirche bin, denke ich an ihre Worte. Auch heute sind jdische Menschen in Berlin wieder in unterschiedlicher Weise bedroht. Der Antisemitismus lebt wieder auf. Eine protestierende Protestantin mchte ich sein und zwar rechtzeitig. Bevor wieder berall Scherben auf dem Gehsteig liegen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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