Wir und die

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/morgenandacht/15413/wir-und-die

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrer Titus Reinmuth

aus Wassenberg

Wir und die 19.11.2025

Wann hat das eigentlich angefangen? Dieses Gefhl: Wir sind die Guten und die da sind die Bsen? Dass viele Menschen sich so einrichten in ihrer Bubble: Wir denken doch alle hnlich, aber die anderen da, die verstehen es nicht. Spaltung der Gesellschaft nennt man das. Pltzlich ist der eine ein Nazi, obwohl er sich gar nicht so sieht, und die andere eine Linksradikale, obwohl sie nur aus dem Grundgesetz zitiert.

Was luft da schief? Kommen wir nochmal zusammen? Darber denke ich nach heute am Bu- und Bettag, wo es doch darum geht, mal innezuhalten und zu berlegen, wo wir auf einem falschen Weg sind.

Eine Freundin erzhlt von ihrem Nachbarn, ein junger Mann um die 30, nennen wir ihn Nils und meine Freundin Laura. Der hat neulich bei einem Fest offen gesagt, dass er beim letzten Mal die Partei gewhlt hat, die laut Verfassungsschutz rechtsextrem ist. Also nicht blo rechte Positionen vertritt, sondern rechtsextrem ist, das Grundgesetz in Frage stellt und die Demokratie selbst.

Laura hat sich immer gut mit Nils verstanden. Erst ist sie erschrocken. Aber dann hat sie gedacht: Das ist jetzt mal eine Chance. Ich will das verstehen, ich will ihn verstehen. Also hat sie nachgefragt. Leider hat Nils gleich wieder zugemacht. Warum soll ich mich rechtfertigen? Ich bin halt rechts und du bist links. Als ginge es um Brotsorten. Roggen oder Krbiskern. Aber es geht um mehr, oder?

Ich bin halt rechts. Das ist, finde ich, tatschlich kein Problem. Wenn klar ist, was gemeint ist. Fr die einen heit das: Ordnung, Heimat, Tradition. Nichts dagegen, solche Heimatliebe macht ein angenehmes, heimeliges Gefhl. Dazu politische Positionen, die als konservativ gelten, und alles ist gut.

Fr andere aber bedeutet rechts sein, andere auszuschlieen und schlecht zu machen. Weil sie anders aussehen, anders glauben oder anders lieben. Das ist keine Heimatliebe mehr, sondern Verachtung fr alle, die angeblich nicht dazugehren. Und man wei nie so genau, ob man nicht selbst irgendwann zu denen gehrt, die verachtet werden.

Fr mich als Christ geht es selten um rechts oder links, sondern darum, ob jemand die anderen respektiert. Die Wrde des Menschen ist unantastbar. Die Wrde jedes Menschen. Das ist der Artikel 1 des Grundgesetzes. Ich verbinde das mit meinem Glauben, dass Gott jeden Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat.

Schon zu biblischen Zeiten war es wichtig, sich auf bestimmte Grundwerte zu einigen. Regeln, die fr alle gelten. Als das Volk Gottes etwa nach Krieg und Exil seine Heimat wiederaufbauen darf, gibt es viel Streit: Soll man zuerst den Tempel und Stadtmauern wiedererrichten? Oder braucht es zuerst mal einen Schuldenerlass und eine Bodenreform, damit alle leben knnen? Darber wurde heftig debattiert. Aber die Zehn Gebote, die galten fr alle. Nicht tten, nicht stehlen, kein falsches Zeugnis ablegen vor Gericht all diese Gebote sagen im Grunde das Eine: Achte das Leben und die Freiheit des anderen! Das ist die Basis.

Dass uns heute das Grundgesetz eint, die Haltung, dass die Wrde jedes einzelnen Menschen unantastbar ist, das wnsche ich mir.

Wir sind die Guten und die sind die Bsen? Wo soll das enden? Demokratie funktioniert nur, wenn alle dazugehren. Wenn alle das Gefhl haben: Ich kann mitbestimmen und ich werde gebraucht.

Soziologische Studien zeigen brigens, dass unser Land gar nicht so gespalten ist, wie viele denken. Die breite Mitte der Gesellschaft ist sich in vielen Fragen erstaunlich einig. Was wir brauchen, sind weiterhin Menschen, die sich Gedanken machen. Die Nachrichten hren, Zeitung lesen, mit Herzblut diskutieren, ihre Meinung berdenken, wo andere schon alles zu wissen glauben. Die sich nicht zurckziehen, sondern weiter mitreden und mittun.

Ich wei nicht, wie der Kontakt zwischen Nils und Laura weiterging. Ob sie noch einmal gesprochen haben bei einem Kaffee unter vier Augen. Einander zugehrt haben.

Kommen wir nochmal zusammen als Gesellschaft? Nicht wir und die, sondern einfach wir? Das wre gut.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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