Wie die Träumenden – Die Story vom kleinen Jonny

Shownotes

Morgenandacht von

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrer Oliver Vorwald

aus Hannover

Wie die Träumenden – Die Story vom kleinen Jonny17.09.2022

Martin Luther King, der große Träumer. Fritz Müller will ihn unbedingt sehen, damals im September 1964. Da kommt der afroamerikanische Bürgerrechtler und Baptistenpastor für einen Abend in die Hauptstadt der DDR, predigt in zwei Gottesdiensten. Und Fritz Müller, später Jugendwart in der Berlin-brandenburgischen Kirche, ist mit dabei. Damals 27 Jahre alt, eine von vielen Stimmen im Chor der Predigerschule Paulinum. Gut 1.500 Menschen sind an diesem Abend gekommen. Auf die ersten Worte von Martin Luther King antworten Fritz Müller und die anderen mit der Hymne der US-Bürgerrechtsbewegung: „We shall overcome“. „Wir werden es überwinden. Wir haben keine Angst. Die Wahrheit wird uns freimachen. Der Herr wird uns hindurchhelfen – eines Tages (EG 616).“ Ein Jahr zuvor formuliert Martin Luther King in Washington seinen Traum von einer neuen, freien Welt. Keine Grenzen mehr zwischen Arm und Reich, alle gleich, Schwarz und Weiß.

In der Marienkirche redet Martin Luther King ungeniert von Freiheit; davon, dass keine Grenze dieser Welt Gottes Kinder voneinander trennen kann. Die Menschen hängen dem großen Träumer an den Lippen. Es ist so still, sagt eine Teilnehmerin später, man hätte eine Stecknadel fallen hören. Fritz Müller, Jahrgang 1937, hat am Paulinum in Berlin Theologie studiert. Als Prediger und Jugendwart arbeitet er mit Musik. Sie ist sein Medium, sein Freiheitsraum. Mit Beat, Rock, Folk erzählt er von „Gottes Sache“, inspiriert andere zu träumen. Und das sehr erfolgreich. Er tourt durch die DDR, spielt in kleinen Dorfkirchen und auf Landesjugendtagen vor tausenden Jugendlichen.

1967 schreibt Fritz Müller dann sein Lied über Martin Luther King: „Das ist die Story vom kleinen Jonny“. Unmittelbarer Anlass ist eine Radioreportage, die er im Sender Freies Berlin (SFB) gehört hat. Darin wird berichtet, wie der Bürgerrechtler einer Gruppe von Kindern begegnet, die zu einer Demonstration wollen. Martin Luther King fragt die Mädchen und Jungen, „habt ihr eure Zahnbürste dabei? Denn wenn ihr verhaftet werden solltet, müsst ihr alles abgeben bis auf eure Zahnbürsten. Wenn ihr die dabei habt, wissen die Polizisten, ihr seid bereit für eure Überzeugungen auch ins Gefängnis zu gehen.“

Fritz Müller dichtet: „Hast du deine Zahnbürste dabei, du wirst sie noch gebrauchen. Man sperrt heut noch viele Menschen ein, die gegen Unrecht sind.“ Erstaunlicherweise wird das Lied nicht verboten. Die Staatssicherheit stuft es als harmlos ein. Und so verbreitet es sich in den Jungen Gemeinden der DDR, wird 1977 sogar in der Bundesrepublik in einer Extraausgabe des Mundorgelverlages aufgenommen. „Die Story vom kleinen Jonny“ lässt Tausende von einer anderen Welt träumen. Fritz Müller hat viele Lieder geschrieben, dazu Gedichte. Er singt immer noch, reibt sich an den Umständen. Ende September steht sein 85. Geburtstag an.

Auch die Bibel kennt jede Menge Träumer. Da sind Jakob und sein Traum vom offenen Himmel; Pharao und seine Träume über die Zukunft von Ägypten und seiner Menschen. Oder jener Traum in Paulus, der ihn nach Europa ruft. Träume sind keinesfalls Schäume, sie verwandeln die Realität. Aber nicht von selbst. Es braucht Mut und Leidensfähigkeit. Denn Träume wollen ausgesprochen und hinausgesungen werden, so wie es Fritz Müller getan hat. Marin Luther King. Und wie die Psalmen es machen: „Wenn der Herr die Gefangenen erlöst, werden wir sein wie die Träumenden“, verspricht die Bibel (Ps 126,1). Vielleicht lässt sich dieser Satz auch so fassen: Wo Menschen mutig ihren Träumen vertrauen, da beginnt Gott bereits mit seinem Erlösungswerk.

Es gilt das gesprochene Wort.

Pfarrer Frank-Michael Theuer (frank-michael.theuer@gep.de)

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