Weltkindertag

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/12908

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit

aus Berlin

Weltkindertag20.09.2022

Wissen Sie, was ich manchmal mache? Wenn es mir nicht gut geht, ich mit Fieber im Bett liege oder schlicht Katzenjammer habe, dann greife ich zu einem Buch. Besser gesagt: zu einem Kinderbuch. Die liebsten aus meiner Jugend- und Kinderzeit habe ich aufgehoben. Sie stehen im Bücherregal neben Goethe und Gedichten und dem neusten Roman von Juli Zeh. Zu den Klassikern meiner Kindheit gehören die Nesthäkchenbände der 1943 im KZ Auschwitz ermordeten jüdischen Autorin Else Ury. Dazu gehören auch Fünf Freunde von Enid Blyton sowie natürlich sämtliche Bände von Otfried Preußler. Ein bisschen Regression ist manchmal auch schön, denke ich dann zu meiner Entlastung: einfach abtauchen mit dem kleinen Wassermann in die Tiefen des Mühlenweihers. Schließlich ist Erwachsensein auch anstrengend. Also erhole ich mich beim Blättern in den Büchern meiner Kindheit. Heute geht das sowieso klar: Es ist Weltkindertag.

Dabei habe ich die Bücher nicht allein für mich aufgehoben. Klassiker will man weitergeben - an die eigenen Kinder zum Beispiel. Dabei habe ich allerdings die ein oder andere Überraschung beim Vorlesen erlebt: Zeiten ändern sich. Sprache auch. Manche Worte sind aus der Mode gekommen, werden heute schlicht nicht mehr verstanden. Ich habe sie dann während des Vorlesens ausgetauscht. Schwieriger wird es, wenn Kinderbücher plötzlich Peinlichkeiten offenbaren: vollständig überkommene Rollenklischees gehören dazu. Da ist zum Beispiel Anne – eins der Mädchen aus dem Kreis der Fünf Freunde. Sie ist ständig in Sorge, dass nichts dreckig wird. Also räumt sie das Geschirr ab, putzt – ansonsten ist sie vor allem eines: ängstlich. Kann man so heutzutage nicht mehr bringen. Gott sei Dank.

Manches kann heutzutage auch die Bibel nicht mehr bringen: So hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland vor kurzem beschlossen, das Wort Mohr aus der Lutherbibel zu streichen. Im Buch des Propheten Jeremia hieß es bislang: Kann etwa ein Mohr seine Haut wandeln oder ein Panther seine Flecken? (Jer 13, 23) Jetzt heißt es: Kann etwa ein Kuschiter seine schwarze Haut wandeln oder ein Panther seine Flecken – und weiter geht es so: So wenig könnt auch ihr Gutes tun, die ihr ans Böse gewöhnt seid.

Ich glaube: Man kann sich umgewöhnen. Und Dinge zum Besseren ändern. Alles hat schließlich seine Zeit, auch unsere Sprache. Vieles ändert sich. Manches wird besser. Über anderes werden unsere Kinder später den Kopf schütteln. Ich bin mir sicher: Die Klassiker bleiben. Auch die Bibel ohne „Mohr“.

Es gilt das gesprochene Wort.

Pfarrer Reinhold Truß-Trautwein (reinhold.truss-trautwein@gep.de)

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