Viele Namen

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/12999

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Vikarin Sabrina Fabian

aus Berlin

Viele Namen 18.11.2022

Wenn man Paul bei seinem Namen ruft, kann man sich nicht immer sicher sein, ob er auch reagiert. Denn viel häufiger sind Momente in seinem Leben, in denen er mit Verkko angesprochen wird. Verkko ist sein Name bei den Jungenschaftlern, einem christlichen Bund von Mädchen und Jungen, die gemeinsam die Natur entdecken, in Zeltlagern übernachten, wandern und an ihrer Kluft und dem geringelten Halstuch zu erkennen sind. In der Jungenschaft erhält jeder und jede einen Namen, der zu dem passt, wie man sich bei den Mitgliedern zeigt. Verkko hat auf seiner ersten Fahrt alle zusammengehalten und vernetzt. Darum nennen sie ihn Verkko, zu Finnisch „Netz“.

Jungenschaftler sein ist so ein großer Teil seines Lebens, dass der Name „Paul“ nicht mehr ausreicht. Er nimmt diesen anderen Namen an und mit ihm kommen andere Rollen, andere Wahrnehmungen, andere Erinnerungen.

Ein Name für jeden Kontext. Als ich Paul alias Verkko für eine Reportage treffe, fasziniert mich, was mit diesem neuen Namen einhergeht: eine andere Ansprache, in anderen Beziehungen sein, sich anders fühlen und vielleicht anders auch verhalten.

Die Bibel hält auch für Gott verschiedene Namen und Begriffe bereit. Als „Herr“ wird er darin angesprochen. Im Zusammenhang mit den Erzeltern Abraham, Isaak und Jakob wird Gott an manchen Stellen El Schaddai, der Allmächtige, genannt. Das Bekenntnis Shema Israel nennt Gott „einzig“. Jesus nennt Gott Vater. Und dann stehen in der Bibel noch eine Vielzahl von Beinamen für Gott, darunter majestätische, militärische oder geografische; vor allem wird er als der rettende und der lebendige Gott bezeichnet. Überliefert ist außerdem das sogenannte Tetragramm, die Kombination von vier Konsonanten: J – H – W – H. Sie zeigen an, dass kein Name gesprochen werden soll. Denn Gott kann in keinem Namen wirklich erfasst werden, zu groß, zu barmherzig, zu unbeschreiblich.

„Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“, hat der Theologe Dietrich Bonhoeffer gesagt und für mich damit genau dieses Phänomen zusammengefasst: Gott nicht festlegen und nicht festhalten zu können.

Wer in so vielen Kontexten unterwegs ist, wer so viele unterschiedliche Beziehungen pflegt, braucht auch unterschiedliche Bezeichnungen. Jeder Name bedeutet eine andere Rolle, jede Rolle ein leicht verändertes Selbstgefühl, ein anderes Dasein. So stelle ich mir Gott vor: vielfältig und beweglich in seinen Beziehungen und Begegnungen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Pfarrer Reinhold Truß-Trautwein (reinhold.truss-trautwein@gep.de)

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