Danke schön

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/12498

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrerin Marianne Ludwig

aus Berlin

Danke schön06.04.2022

Jeden Abend fährt sie mit dem Fahrrad zu den Aufnahmezentren. Sie hat schwer geladen: Gepäcktaschen und Anhänger sind voll mit Lebensmitteln für die Geflüchteten: Obst, Gemüse, fertige Salate, Brot. Nichts davon hat Manuela gekauft, sondern alles vor der Mülltonne gerettet. Dabei sind diese Lebensmittel völlig in Ordnung. Sie wundert sich über solchen Überfluss und ist empört über diese Vergeudung. Sie kommt aus Kolumbien, da wäre dieser respektlose Umgang mit Nahrungsmitteln undenkbar.

Nun nutzt Manuela die Chance, um den Schutzsuchenden zu helfen. Sie muss einfach etwas tun. Denn wenn sie Nachrichten schaut, werden alte Erinnerungen wach. Ihr Vater wurde in Kolumbien von Milizen erschossen. Zweimal musste sie dort als Kind mit der Mutter um ihr Leben rennen. Sie weiß also, wie es sich für ein Kind anfühlt, wenn es Angst um den Vater hat, wenn es rennen muss, ohne zu verstehen warum, wenn es den geliebten Hund und das Spielzeug im Stich lassen muss. Mühsam hat sie sich inzwischen ihren Weg ins Leben gebahnt. Gut, dass sie jetzt hier in Deutschland ist, Arbeit hat, lernen kann und vor allem: Einen geliebten Mann und Familie gefunden hat.

Hier hat sie sich endlich in Sicherheit gefühlt. Aber seit dem 24. Februar hat der Kampf gegen die Angst von neuem begonnen. Zum Glück hat sie gelernt, wie sie sich helfen kann. Als erstes verordnet sie sich einen Fernseh-Nachrichtenstopp gegen zu viele Bilder von zerstörten Städten, verwundeten und getöteten Menschen. Es reicht, wenn sie Radio hört oder Zeitung liest. Genauso wichtig ist es ihr, das zu tun, was in ihrer Macht steht. Solange sie helfen kann, hat sie Hoffnung und Kraft. Nichts ist für sie schlimmer als die Vorstellung: „Ich kann nichts tun“. Nun zieht sie jeden Abend los, die Taschen und den Fahrradanhänger voll mit guten Dingen. Gut, dass sie die Lebensmittel nicht direkt aushändigen muss, sondern sie bei den Helferinnen und Helfern abgeben kann. Sie will den Geflüchteten nicht zu nahekommen, ist unsicher, ob sie die Kraft dafür hat. An diesem Abend hat sie außerdem noch ein Malbuch eingepackt. Der Helfer schaut sie fragend an. „Gib es ihnen doch selbst“, sagt er und zeigt dabei auf eine junge Mutter, die mit ihrem kleinen Kind allein vor einem Zelt sitzt. Sie zögert. Dann fasst sie sich ein Herz. Die beiden verstehen kein Wort von dem, was sie zu ihnen sagt. Aber das Kind lächelt plötzlich und die Mutter erwidert, sogar auf Deutsch: „Danke schön!“

Hier hat sie sich endlich in Sicherheit gefühlt. Aber seit dem 24. Februar hat der Kampf gegen die Angst von neuem begonnen. Zum Glück hat sie gelernt, wie sie sich helfen kann. Als erstes verordnet sie sich einen Fernseh-Nachrichtenstopp gegen zu viele Bilder von zerstörten Städten, verwundeten und getöteten Menschen. Es reicht, wenn sie Radio hört oder Zeitung liest. Genauso wichtig ist es ihr, das zu tun, was in ihrer Macht steht. Solange sie helfen kann, hat sie Hoffnung und Kraft. Nichts ist für sie schlimmer als die Vorstellung: Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Reinhold Truß-Trautwein (reinhold.truss-trautwein@gep.de)

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