Mitgliedschaft

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/13323

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit

aus Berlin

Mitgliedschaft 13.03.2023

Es ist Passionszeit für die Kirchen – in doppelter Hinsicht: Gerade wurden die aktuellen Mitgliederzahlen in Deutschland veröffentlicht. Und wieder sind sie niederschmetternd für meine evangelische Kirche, zu der ich gehöre, und für unsere Geschwister in der katholischen Ökumene. Nur eine kleine Schar ist eingetreten, dem gegenüber stehen so viele, die ausgetreten sind. Die Veröffentlichung der Zahlen passt in die Passionszeit: Passion heißt ja auch: Es führt kein Weg dran vorbei. Man muss den Tatsachen ins Auge blicken. Kirche ist eine Institution, der die Mitglieder weglaufen. Da tröstet es wenig, dass es den meisten anderen Organisationen genauso ergeht. Geschieht ihnen ganz recht, den Kirchen, mag manch einer denken. Und klar: das Thema Missbrauch schreit nach Konsequenzen. Ich kann jeden verstehen, der das Schweigen und Vertuschen nicht aushält. Glaube und Kirche hat eh keine Zukunft, finden andere. Ich lebe in einer Region Deutschlands, wie viele Menschen der Kirche längst schon den Rücken gekehrt haben oder nie mit ihr in Berührung gekommen sind: Sie ist ihnen gleichgültig. Und dann ist da noch die dritte Gruppe derer, die enttäuscht sind, weil individuelle Erwartungen von der Institution nicht erfüllt wurden. Das kann die verunglückte Predigt bei der Beerdigung sein, ein ausgebliebener Besuch des Pfarrers, eine Position der Kirche, die einem nicht passt. Last but not least liegt es oft an der Kirchensteuer, die man nicht mehr bereit ist zu zahlen, erst recht jetzt, wo viele wirklich sparen müssen.

Trotzdem: Mir tun die Austritte weh – alle Jahre wieder. Als Gemeindepfarrerin war ich glücklich über jeden, der sich in einem persönlichen Gespräch zum Wiedereintritt entschloss. Ich bin drin in meiner Kirche und ich will drin bleiben. Sie bedeutet mir viel – auch wenn ich nicht alles an ihr gut finde. Ich gehöre dazu, seit ich denken kann. Als Baby wurde ich getauft, ich bin in einen evangelischen Kindergarten gegangen, habe mich konfirmieren lassen und habe am Religionsunterricht in der Schule teilgenommen. Mit einer Jugendgruppe aus der Gemeinde reiste ich zum ersten Mal ohne Familie und fand es herrlich. Während des Theologiestudiums schloss ich mich der Studierendengemeinde an. Ich verbinde tolle Gemeinschaftserfahrungen mit der Institution Kirche. Denke ich an Kirche, denke ich zuerst an Lieder am Lagerfeuer und Zelten in der Wildnis Schwedens, an Diskussionen im Jugendkeller und Räume zum Feiern und Reden. Ich freue mich heute, wenn unsere Kinder diese Erfahrungen auch machen können.

Kirchenmitgliedschaft ist nicht selbstverständlich – auch in einer Pfarrfamilie nicht. Ausgerechnet an einem Ostersonntag verkündete unser Sohn am Frühstückstisch, dass er sich nicht konfirmieren lassen wollte. Er glaube das alles nicht mit der Auferstehung und so. Das gab mir einen Stich ins Herz – und gleichzeitig wusste ich: Glaube kann man nicht erzwingen. Was mir selber wichtig ist, kann ich anderen nicht einfach überstülpen, höchstens näher bringen. Wir haben uns damals auf einen Kompromiss geeinigt: Konfirmandenunterricht ja – die Entscheidung aber, ob er sich konfirmieren lässt, sollte er dann am Ende der Zeit treffen – egal wie diese Entscheidung dann ausfällt – wir tragen sie mit. Gesiegt hat die Gemeinschaftserfahrung. Wie lange das hält, was daraus wird? Ich weiß es nicht. Mitgliedschaft hat heute eine andere Bedeutung. Sie ist individueller geprägt, schwebender, unverbindlicher, jederzeit kündbar. Man kann sich in einem Fitness-Studio an- und im nächsten Moment wieder ab und woanders wieder anmelden, wenn dort der Tarif günstiger ist. Ich kann das nicht. Ich bin ein Gewohnheitstier. Ich will mich zuhause fühlen, nicht ständig weiterziehen müssen und mich neu einleben. Was bedeutet Mitgliedschaft in der Kirche? Zuallererst die Kirchensteuer? Feste Glaubensvorschriften? Für mich bedeutet Kirche vor allem Gemeinschaft. Es ist die Gemeinschaft mit denen, die vor mir waren, geglaubt und gezweifelt haben, und mit denen, die nach mir kommen werden. Es ist die gemeinsame Sehnsucht nach gelingendem Leben. Das alles und noch viel mehr.

Es gilt das gesprochene Wort.

Pfarrer Frank-Michael Theuer (frank-michael.theuer@gep.de)

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