Ein Versprechen auf Sinn

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/13520

Transkript anzeigen

Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrer Michael Becker

aus Kassel

Ein Versprechen auf Sinn 27.06.2023

Es gibt so Augenblicke, da denkt man plötzlich an Gott. Ungewollt. Man steht auf einem Berg und schaut ins Tal. Alles ist grün, saftig. Da kann es sein, dass man fühlt: Gott, ist das schön. Plötzlich ist er da, der Gott. Man wollte das gar nicht. Und doch ist er da. Ein Mensch genügt sich nicht mehr. Und Fragen kommen, die sonst weit hinten sind in der Seele. Ein Mensch liebt mich und sagt mir das. Zwei Menschen werden Eltern. Der Lieblingsverein gewinnt das entscheidende Spiel. Die letzte Prüfung entlässt mich ins offene Leben. Und erst der Schmerz, der ja erst recht nach Gott fragt. Man fällt aus dem Leben, ist eingezwängt in ein Krankenbett. Auch da denkt man an Gott, sucht man nach Gott. Wo ist er? Meint er es gut mit mir?

Die Frage trifft alle, irgendwann. Auch Ernest Hemingway, den amerikanischen Schriftsteller. Gestorben 1961, damals weltberühmt durch den Literaturnobelpreis. Einmal kommt ein Reporter zu ihm. Und stellt eine Frage. „Mr. Hemingway“, fragt er, „glauben sie an Gott?“ Hemingway ist verblüfft. Er sieht dem Reporter in die Augen und sagt leise: „Ja“. Und fügt noch leiser hinzu: „Manchmal. In der Nacht.“ Was für eine Antwort. Aus dem dunklen Teil der Seele, die selten spricht. „Manchmal.“ Wenn alles gut läuft, ist man sich genug. Anders „in der Nacht“, wenn die Fassaden nicht mehr so viel helfen.

Keinem von uns ist Gott fern, sagt der Apostel Paulus. Man kann ohne Gott leben, natürlich. Das ist nicht schlimm. Er hat und gibt Zeit. Weil man das Leben ohne Gott oft nicht versteht. Es kommen Momente, da fragt man: Wo ist Gott? Meint er es gut mit mir? Ich sehe mein Glück und frage: Habe ich das verdient? Und wenn ja, womit? Ich sehe den Freund im Krankenbett. Ist sein Schmerz, ist Leiden sinnlos? Da ist Gott dann ein Versprechen auf Sinn. Er wartet, bis ich nach ihm frage. Weil er will, dass ich verstehe. Mich. Mein Leben. Dass sich auch Rätselhaftes einmal erklärt - auch wenn ich es heute noch nicht glauben kann. Gott bleibt ein Versprechen auf Sinn. Wer nach ihm fragt und sucht, denen zeigt er sich. Später oder früher. Bestimmt tut er das.

Es gilt das gesprochene Wort.

Pfarrer Reinhold Truß-Trautwein (reinhold.truss-trautwein@gep.de)

//rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radio/dradio/worte-zum-tage

https://www.facebook.com/deutschlandradio.evangelisch

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.