Ein gefeierter Verlierer

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/13524

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrer Michael Becker

aus Kassel

Ein gefeierter Verlierer 01.07.2023

Er wollte alles. Und es gelang ihm nichts. Er ist einer der besten Torhüter der Fußball-Bundesliga. Bis zur 32. Minute geht alles gut. Dann muss er raus aus dem Tor, läuft dem Ball entgegen und verschätzt sich. Ein Gegenspieler hat leichtes Spiel und schießt den Ball ins leere Tor. Das kann passieren, sagt er sich in der Halbzeit. Es passiert aber nochmal, gleich nach der Halbzeit. Diesmal fängt der Torwart den Ball. Der ist aber glitschig und rutscht durch die Hände. Wieder ist ein Spieler der anderen Mannschaft zur Stelle und macht das Tor. Und, als wäre das noch nicht genug - auch einen dritten Ball verpasst der Torhüter an diesem Tag, mittlerweile stark verunsichert. Das dritte Tor, das er verschuldet. Man sieht ihm an, dass er seine Verantwortung spürt. Und was geschieht?

Er wird trotzdem gefeiert. Nach dem Spiel rufen Tausende Fans im Stadion seinen Namen. Sie wissen, was sie an ihm hatten und haben. Auch wenn er einen schwarzen Tag hatte. Die Zuschauer lassen ihn nicht fallen. Der Torwart bekommt die Größe, die er jetzt braucht. Verlierer brauchen nicht noch Spott und Hohn, sondern Mitgefühl.

Die Geschichte vom Torwart und seinem Verlieren ist ein Lehrstück. Es lehrt mich, was Gnade kann. Fans verzichten auf ihr gutes Recht. Sie spotten nicht, sie fühlen mit. Eltern verzichten auf ihr gutes Recht. Sie ersparen sich Vorwürfe, knallen keine Türen und stellen nicht lange zur Rede. Das Wort dafür ist Gnade. Ich sehe den Verlierer, wie er sich grämt. Und nehme ihn in meine Arme, sozusagen; baue ihn auf durch Verständnis. Ich weiß, dass mir das alles so ähnlich passieren kann. Ich will Großes vollbringen, überschätze meine Kräfte und lande irgendwo im Nichts, bestenfalls. Gnade ist, was Gott macht, wenn ich versage. Weil ich hochmütig werde oder mich und meine Kräfte überschätze. Gott spottet nicht und straft nicht. Er versteht; und verzeiht. Das macht er nicht, weil er so lieb ist. Das macht er, weil nur Verzeihen aufbaut. Menschen ändern sich, wenn überhaupt, durch Verzeihen. Also durch Gnade.

Es gilt das gesprochene Wort.

Pfarrer Reinhold Truß-Trautwein (reinhold.truss-trautwein@gep.de)

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