Frieden machen Menschen, nicht Waffen

Shownotes

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrer Jörg Machel

aus Berlin

Frieden machen Menschen, nicht Waffen28.02.2022

Schon als Kind habe ich das bunte Treiben beim Rosenmontagsumzug in Köln mitverfolgt – im Westfernsehen. Später dann, als Jugendlicher, begeisterten mich die Motivwagen. Das war politische Subversion wie sie mir gefiel. Es wurde getanzt und gelacht, die Mächtigen wurden auf die Schippe genommen, das Großspurige wurde lächerlich gemacht.

Aber heute, an diesem Rosenmontag, kämpfen und sterben, leiden und fliehen Menschen mitten in Europa. Dass da nicht ausgelassen gefeiert wird, das liegt auf der Hand. Aus dem Karnevalszug soll eine Friedensdemonstration in der Kölner Innenstadt werden, so wie an den vergangenen Tagen schon an vielen Orten demonstriert, sogar in Russland.

Doch demonstrieren allein genügt nicht. Denen, die mit Panzern über andere Länder herfallen, muss etwas entgegengesetzt werden. Russland muss gehindert werden, mit seinem völkerrechtswidrigen Krieg ans Ziel zu kommen.

Ich vermute allerdings: langfristig scheitern wird Putin weder an der Volksbewaffnung der Ukraine noch an Europa. Sondern an denen, die er zu beherrschen meint. Vielleicht ist die Ukraine in ihrer Demokratie schon so gefestigt, wie sie es gern sein möchte. Dann hätte sich Putin mit seinem Feldzug verkalkuliert. Ein Volk, das nicht mehr kuscht, das den Lügen der Propaganda nicht glaubt und die Repression nicht mehr fürchtet, ist mit Panzern nicht zu besiegen.

Was aber heißt das für uns, sollen wir nun wieder an der Rüstungsschraube drehen? Das wäre fatal, allein schon, weil das Geld dann dort fehlt, wo es dringend gebraucht wird. 100 Milliarden für die Aufrüstung innerhalb weniger Tage bewilligt. Dagegen: langwieriges Schachern um den Klimaschutz. Der Meeresspiegel steigt, während die Welt ihre Ressourcen ins Militär steckt. Wir müssen neu über Abrüstung reden, nicht nur über die Nachrüstung – sofort und weltweit!

Was aber heißt das für uns, sollen wir nun wieder an der Rüstungsschraube drehen? Das wäre fatal, allein schon, weil das Geld dann dort fehlt, wo es dringend gebraucht wird. 100 Milliarden für die Aufrüstung innerhalb weniger Tage bewilligt. Dagegen: Widerstand ist möglich, auch jenseits militärischer Gewalt. Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela, Montagsgebete – es gibt Beispiele, welche Kraft die Wahrheit zu entwickeln vermag. Dabei müssen sich die Demokraten in der Ukraine auf Unterstützung verlassen können. Unverbindliche Solidaritätsbekundungen reichen nicht aus.

Was aber heißt das für uns, sollen wir nun wieder an der Rüstungsschraube drehen? Das wäre fatal, allein schon, weil das Geld dann dort fehlt, wo es dringend gebraucht wird. 100 Milliarden für die Aufrüstung innerhalb weniger Tage bewilligt. Dagegen: Was zählt, ist die Perspektive der Opfer. Doch auch mit neuen Waffenlieferungen wird die russische Armee letztlich nicht zu besiegen sein, umso mehr sollten wir auf die anderen Forderungen aus der Ukraine reagieren. So ist es gut, dass nun auch Deutschland bereit ist, Russland aus dem Swift-Zahlungssystem auszuschließen, obwohl der Preis, den wir dafür zu zahlen haben, sehr hoch sein wird.

Was aber heißt das für uns, sollen wir nun wieder an der Rüstungsschraube drehen? Das wäre fatal, allein schon, weil das Geld dann dort fehlt, wo es dringend gebraucht wird. 100 Milliarden für die Aufrüstung innerhalb weniger Tage bewilligt. Dagegen: Putin demonstriert Stärke mit seinem Kriegsgerät. Aber vor der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ fürchtet er sich, Journalisten im eigenen Land lässt er umbringen, Künstlerinnen und Demonstranten sperrt er weg. Die Entwicklungen der letzten Jahre sind Zeichen des Niedergangs, nicht des Aufbruchs. Keine Siegesmeldung der Invasoren wird darüber hinwegtäuschen können.

Jesus hat einen verrückten Vorschlag gemacht: „Schlägt dich jemand auf deine rechte Wange, so halte ihm auch die andere hin.“ Es steckt mehr dahinter als die vordergründige Kapitulation vor der Gewalt. Jesus setzt die demütigende Aggression des Angreifers öffentlich ins Unrecht und lässt ihm keine Chance, damit durchzukommen.

Ich sage das alles mit unsicherer Stimme. Bin ich naiv? – Doch wenn ich an das Scheitern der Realpolitik denke, frage ich mich: Warum nicht das ganz andere wagen, das unmöglich scheinende. Helmut Schmidt warnte, dass man mit der Bergpredigt keine Politik machen kann. Doch die Geschichte zeigt: selbst einen überlegenen Gegner kann man überwinden, wenn man sich die Wahl der Waffen nicht von ihm aufzwingen lässt.

Ich sage das alles mit unsicherer Stimme. Bin ich naiv? – Doch wenn ich an das Scheitern der Realpolitik denke, frage ich mich: Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Frank-Michael Theuer (frank-michael.theuer@gep.de)

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