Aus der Wildnis

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/13668

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Evamaria Bohle

aus Berlin

Aus der Wildnis 29.07.2023

Neulich auf Instagram. Eine Zusammenstellung gewalttätiger Bibelstellen versehen mit dem ironischen Kommentar, dass die Heilige Schrift mit ihrem Trost allezeit bei uns sei. Ich mag solche Polemiken. Sie erinnern: Die Bibel ist zu komplex, um sie wörtlich zu nehmen.

Die Bibel ist eine Wildnis. Wunderschön und voller Gefahren. Wer mit ihr lebt, muss damit umgehen. Wer in ihr ein Zuhause sucht, darf mit Überraschungen rechnen (und wird auch mal überrumpelt).

Zweifellos gibt es in der Heiligen Schrift Passagen, die zum Glück nicht eins zu eins herangezogen werden, wenn es darum geht Gesellschaft zu organisieren. Sie erzählen aus vordemokratischen, vorrechtsstaatlichen Zeiten und Kulturen. Sie reflektieren u.a. Erfahrungen von Clan-Gewalt und der Suche nach Frieden, von Kämpfen um Ressourcen, vom Leben in Armut und unter fremder Besatzung, sie zeigen, wie kostbar Menschenrechte sind und dass die Kategorie von Liebe immer schon ein Störfaktor ist, wenn es um Macht- und Machterhalt geht.

Die Bibel lässt Menschen zu Wort kommen, die in all dem, was ihnen zustößt, dem Schrecklichen und dem Schönen, Gotteserfahrungen machen. Ihre Welt ist durchlässig. Und sie erkennen immer wieder das Wirken einer schöpferischen Liebe, die das Schwache schützen will und die Freiheit achtet.

Das ist ein goldener Faden, der sich durch die Jahrhunderte, aus denen die Texte stammen, bis in unsere Zeit spinnt. Gott ist Liebe. Wo sich rechtsfreie Räume öffnen, wo Hass gesät wird und die Macht des Stärkeren sich durchsetzt, kann Liebe, bedingungslose Nächstenliebe, sehr wichtig werden.

In der Bibel wird geheilt und gehofft, betrogen und getötet. Es wird gesegnet und unterdrückt, geweint und getanzt, gearbeitet und gegessen, gewonnen und verloren. Es wird geboren, gelebt, gestorben und auferstanden. Es gibt Engel, geschaffenes und ungeschaffenes Licht, und eben diese große Liebe. Macht wird immer wieder in Frage gestellt, Verletzlichkeit neu bewertet und am Ende soll alles gut werden.

Nichts davon kann man eins zu eins ins Heute holen. Aber es glänzt in unserer Zeit, bei denen, die sich öffnen. Der Geist macht lebendig. Die Bibel ist eine Wildnis. Und während wir unterwegs sind in unserer sterblichen Haut, können wir Liebe üben. Wie das Einmaleins. Üben. Trotz allem, was uns jeden Tag geschieht.

Es gilt das gesprochene Wort.

Pfarrer Reinhold Truß-Trautwein (reinhold.truss-trautwein@gep.de)

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