Vollkommen verbunden
Shownotes
Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/13669
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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur
Vikarin Sabrina Fabian
aus Berlin
Vollkommen verbunden 07.08.2023
Der August ist einer der beliebtesten Heiratsmonate. Und das erinnert mich an unsere Trauung. Damals hat mir die Geste einer Fremden gezeigt, wie verbunden alle und alles waren.
Wir hatten den Termin mit dem Standesamt für April 2020 ausgemacht, als Corona noch nicht mehr als eine Biermarke war. Doch als das Frühjahr kam, steckte Deutschland mitten im ersten Lockdown. Das öffentliche Leben wurde heruntergefahren und man tastete sich von Tag zu Tag, von Regelung zu Regelung, immer die Infektionszahlen im Blick. Mit jeder Woche schränkte das Standesamt unsere Feier mehr ein. Und mir kamen Zweifel: Sollten wir wirklich ohne unsere Freundinnen und Freunde feiern? Dann wurden wir gebeten, nur den Trauzeugen und die Trauzeugin mitzubringen. Das fühlte sich nun wirklich falsch an. Ohne meine Eltern? Ohne seine Eltern?
Am Abend vorher war ich vorläufig mit der Situation versöhnt: Ich würde den Mann heiraten, den ich liebe. Mit diesem Gefühl ging ich zu Bett. Aber während aller Vorbereitungen – als ich meinen Strauß selbst band, als ich die Zimtschnecken frühstückte, die unsere Trauzeugin morgens frisch gebacken hatte, als ich mein grünes Kleid anzog und meine Haare hochsteckte – blieb diese dumpfe Stimme in meinem Kopf: Das hier hast du dir anders vorgestellt.
Wir machten uns also auf, mein Mann und ich – wir beide alleine, nur wir zwei – so waren die finalen Auflagen. In der S-Bahn fielen wir auf: chice Outfits, Blumenbouquet in der Hand, unsere sichtbare Nähe füreinander. Alle anderen saßen vereinzelt mit größtmöglichem Abstand voneinander. Da schob eine Mitfahrende plötzlich all meine Zweifel mit einer Handgeste davon. Sie streckte uns ihren aufgerichteten Daumen entgegen wie ein Sektglas zum Prosten und nickte lächelnd, als wollte sie sagen: „Richtig so!“ Und endlich spürte ich, was in einem Bibelvers steht, der gerne als Trauspruch ausgewählt wird: „Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.“ (Kol 3,14) Das hatten wir gemacht! Wir feierten unsere Liebe mitten in der Pandemie. Wir feierten Verbindung, als Distanz das Gebot der Stunde war. Dank der Fremden in der Bahn, merkte ich, wie vollkommen dieser Moment war, obwohl so viel fehlte. Vollkommen, weil unsere Liebe dann tatsächlich alle und alles verband. Und auch ohne Anstoßen und Umarmen nahmen schließlich alle teil: den ganzen Tag über bekamen wir Pakete und Briefe, wir zoomten und telefonierten, die ursprünglich eingeladenen Gäste hatten ein Grußvideo zusammengestellt. Die Liebe band alle und alles zusammen. Wahrscheinlich erzählen viele Paare nach diesem Heiratsmonat ihre Geschichte davon.
Es gilt das gesprochene Wort.
Pfarrer Reinhold Truß-Trautwein (reinhold.truss-trautwein@gep.de)
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