Danke allen Lehrern und Lehrerinnen!
Shownotes
Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/13697
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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur
Pröpstin Christina-Maria Bammel
aus Berlin
Danke allen Lehrern und Lehrerinnen! 05.10.2023
Wer tagein, tagaus unterrichtet, der träumt auch ein bisschen davon, mal ab und an ein handgeschriebenes Schüler-Dankeschön zu erhalten. Für die Jahre und die gemeinsamen Höhen und Tiefen vielleicht auch. Es braucht viel mehr als ein Klassenbuch und ein paar Methoden, um Menschen durch die Schulzeit zu bringen. So ein Dankeschön hat vor Jahren der Liedermacher Reinhard Mey geschrieben. Und vertont! An Charlotte. Ihr gesteht er: „Der Abstand lässt mich vieles klarer sehen. Und mich Ihnen offenbaren. Die Sie überm düst'ren Tal meiner freudlosen Schulzeit als die einzige Sonne steh'n.“ Diese einzige Sonne namens Charlotte also muss ihren Schützling ausgesprochen dreist und listenreich durch Prüfungen und Versetzungen gelotst haben. Wer braucht eine solche Charlotte nicht, ob in Klasse eins, fünf oder zwölf? Meine Charlotte hieß Herr Kaminski. Meist im roten Pullover, ein bisschen Kreide an der einen Hand und die andere immer wieder am dichten Bart. Darüber ein paar Augenringe, die verrieten, dass Lehrer-Sein kein Sonntagsspaziergang ist. Für mich war er Anker in oft dumpfen Schultagen, die sich ansonsten einfach aus meinem Gedächtnis gelöscht hätten. Wegen Herrn Kaminiski überwiegt das Gute. Er konnte zu Hochform auflaufen, wenn mich meine Schwäche, die Mathematik, in schiere Ohnmacht und Verzweiflung trieb. Da war ich nicht die Einzige. Gegen die grassierende Schwäche aktivierte dieser Lehrer all seine Humor- und Geduldreserven. Man sah ihm sein großes Glück an, wenn bei uns endlich der Groschen fiel. Noch größer war sein Glück, wenn er jemanden buchstäblich aus dem Schatten holen konnte oder die Dauerstillen zum Reden brachte. Er spürte, wann der Zeitpunkt war, sich „ohne Wenn und Aber“ vor seine Schüler zu stellen. Manchmal reichte da nur ein Wort. Gut, wer einen Herrn Kaminski oder Charlotte nicht nur im Schulleben trifft! Eine, die aufsteht und gegen alle schlechten Beurteilungen einfach sagt: Trotzdem bestanden! Eine, die Regeln umgehen kann, weil sie mehr Möglichkeiten in ihrem Schüler erkennt, als der vielleicht gerade selbst. Wie das geht, bleibt das Geheimnis einer guten Lehrerin: In den Schützlingen mehr zu sehen, als die im Moment selbst bei sich entdecken können. Jesus wird in der Bibel Lehrer genannt. Die mit ihm unterwegs waren, heißen auch Schüler. Sein Klassenzimmer war bei den Menschen. Alles einsetzen für die Schüler. Das war seine Linie. Mein Jesusbild hat ein bisschen was vom Mann im roten Pullover mit den Augenringen. Heute ist der von der UNESCO ausgerufene Weltlehrertag. Es müsste jeder Tag ein Weltlehrertag sein, wenn ich an die Charlottes und Kaminskis dieser Welt denke. Wo auch immer ihre Schule steht, ob in Dresden, Daressalam oder der Dominikanischen Republik: Danke allen, die lehren aus Leidenschaft.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Dr. Thomas Dörken-Kucharz (thomas.doerken@gep.de)
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