Hanna und ihre Kuh

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/13709

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrer Michael Becker

aus Kassel

Hanna und ihre Kuh 02.11.2023

Hanna geht über eine Wiese. Sie lebt in einem ziemlich zerstörten Dorf in der Ukraine. Ihr kostbarster Besitz ist eine Kuh. In der Hand hält Hanna ein Minensuchgerät. Damit sucht sie die Wiese ab. Hanna sagt: Das hier mache ich für meine Kuh; ich brauche sie. Manchmal piept das Suchgerät. Dann steckt Hanna vorsichtig einen Stock in die Erde und ruft den Polizisten im Dorf. Der kümmert sich darum und prüft, ob unter dem Gras eine Mine liegen könnte. Hanna lebt für ihre Kuh. Und sie lebt von der Kuh. Ihre Milch ist gut, sagt Hanna. Deswegen darf die Kuh nicht sterben. In einem Nachbardorf sind schon Kühe von Minen getötet worden. Was soll ich machen ohne meine Kuh, sagt Hanna.

Alltag im Krieg - in einem Dorf in der Ukraine. Hanna hat Sorge um ihre Kuh und wie sie ihr beim Überleben helfen kann. Die Kuh sichert Hannas Überleben. Hanna ist schon älter und besitzt nicht mehr viel. Außer ihre Kuh. Wenn die das Gras auf der Wiese gefressen hat, versetzt Hanna die Zäune. Dann gibt es nebenan neues Gras. Vorher aber geht Hanna mit dem Minensuchgerät über das andere Stück Wiese. Der Kuh darf nichts geschehen.

Vor Wochen hat Hanna russische Soldaten gesehen und Lastwagen. Hanna weiß nicht, was auf den Lastwagen war. Einmal hatte sie den Verdacht, dass Soldaten etwas aus den Häusern geholt haben. Aber sie hat nicht hingeschaut. Sie wollte sich nicht zeigen. Auch ihre Kuh ließ sie im Stall. Hanna hatte Sorge, dass der Kuh etwas passiert. Die Kuh gehört zu ihrem Überleben.

Alltag im Krieg. Das alltägliche, zähe Überleben. Mit Kuh und Minensuchgerät. Wie es weiter geht mit ihrem Land, weiß Hanna nicht. Sie hört wenig Nachrichten. Aber dafür kümmert sie sich um zwei alte Leute in der Nachbarschaft, bringt ihnen Milch von der Kuh, etwas Butter und Käse, den sie selber macht. Brot gibt‘s beim Bäcker. So leben sie. Einfach und still und ängstlich. Genauer gesagt: so überleben sie. Und hoffen. Und beten. Jeden Tag betet Hanna. Für ihre Soldaten. Für die Gefallenen und ihre Familien. Füreinander im Dorf. Und manchmal auch für ihre Kuh.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Dr. Thomas Dörken-Kucharz (thomas.doerken@gep.de)

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