Verleih uns Frieden!

Shownotes

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrer Martin Vorländer

aus Frankfurt am Main

Verleih uns Frieden! 06.11.2023

Bedrohung von außen, Zerstrittenheit nach innen, wohin man schaut. Die Gesamtsituation sieht… Ende 1528 düster aus. Die Osmanen stehen vor Wien. Nichts und niemand scheint Sultan Süleyman (1) und sein Heer aufhalten zu können. Das alte Europa wirkt in allen Bereichen unterlegen – militärisch, technisch und auch religiös. Europa ist in Glaubensdingen zerstritten.

Wer oder was hilft jetzt? Martin Luther schreibt ein Lied. Er will das Vertrauen in die Zukunft seiner Zeitgenossen stärken –und vermutlich auch sein eigenes. Er hält die Hoffnung hoch, dass es nicht nur auf das ankommt, was Menschen tun können. Es gibt schon auch noch Gottes Kraft, die wirkt. Gottes Trotzdem-Kraft. Und so dichtet Martin Luther das Lied: „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.“ (2)

Luther greift auf die Melodie und den Text eines lateinischen Wechselgesangs aus dem 9. Jahr-hundert zurück, der besonders in Notzeiten gesungen wurde. Man braucht inneres Rüstzeug, um sich der Not zu stellen. Und es hilft, nicht allein zu sein, sondern jemanden an der Seite zu ha-ben, der „für uns könnte streiten“. Für Luther ist klar: Das ist Gott allein. Gott streitet für uns und sorgt für Frieden.

„Verleih uns Frieden“ meint sowohl den inneren Frieden mit Gott als auch nach außen den Frieden unter den Völkern. Gottes Friede wirkt persönlich wie politisch. Mir kommt unsere Zeit sehr zerstritten vor und auf destruktive Weise uneins. Da ist die Bitte elementar: „Verleih uns Frieden…“

„… Herr Gott, zu unsern Zeiten“, dichtet Luther weiter. Das greift einen Vers aus der Bibel, aus dem Alten Testament auf: „Es werde Friede in Israel in unseren Tagen.“(3)Diese Bitte ist ebenso alt wie aktuell. „In unseren Tagen“, „zu unsern Zeiten“. Wer das Lied singt, wünscht sich Frieden nicht irgendwann am Sankt Nimmerleinstag, sondern jetzt und hier.

Jede Zeit hat das Lied anders gesungen. Es war ein Kampflied, das Protestanten gegen die Ka-tholiken im Dreißigjährigen Krieg geschmettert haben. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Inzwischen steht »Verleih uns Frieden gnädiglich« auch im katholischen Gotteslob (GL 475) – versehen mit dem Buchstaben »Ö« für Ökumene.

„Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten. Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine.“

Dieses trotzige „doch ja“ setzt den Krisen in der Welt eine positive Kraft entgegen. Was im Gro-ßen notwendig ist, hilft mir auch im Kleinen. Es gibt Morgenstunden, in denen fällt mir das Auf-stehen besonders schwer. Die Montagmorgen im November gehören dazu. Draußen ist es noch dunkel. Die Nachrichten haben wieder einmal Bedrückendes berichtet. Die Welt fühlt sich feind-selig und garstig an.

Wie spüre ich dann diese Trotzdem-Kraft? Martin Luther rät sehr konkret und handfest: Man soll ein Vaterunser sprechen und dabei mit dem Daumen fest auf einen Fingerdrücken. Dann spürt man und merkt es sich besser, dass Gott einen nicht alleine lässt. Also: Ein Vaterunser gesprochen. Kräftig den Daumen gedrückt. Und flugs in den Montag gestartet! (4)

Es gilt das gesprochene Wort.

Literatur dieser Sendung:

1) Süleyman II der Prächtige, geboren am 6. November 1494, gestorben 1566.

2) Evangelisches Gesangbuch Nummer 421.

3) Buch Sirach 50,25.

4) Karl Christian Thust, „Die Lieder des Evangelischen Gesangbuchs. Kommentar zu Entstehung, Text und Musik, 2 Bände, Bärenreiter-Verlag 2015.

Redaktion: Pfarrer Dr. Thomas Dörken-Kucharz (thomas.doerken@gep.de)

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