Lilly und das kleine Dennoch

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/13728

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrer Michael Becker

aus Kassel

Lilly und das kleine Dennoch 15.12.2023

Sie liebt Weihnachten. Und das hat einen Grund. Lilly ist Ende vierzig und eine gestandene Frau, wie man so sagt. Verheiratet, drei Kinder, halbtags an der Kasse im Supermarkt. Da können sie ‘was erleben mit Kunden, sagt sie, vor allem vor Weihnachten. Bei ihr ist Weihnachten immer gleich. Sie freut sich schon. Ihr Mann auch. Jedes Jahr fragen sie die Kinder, ob sie etwas ändern sollen an ihrer Feier. Nein, sagen die Kinder, alles soll sein wie immer. Kirche am frühen Abend, Essen bei schöner Musik, Geschenke auspacken. Alle freuen sich. Aber nicht nur wegen Essen und Geschenken. Weihnachten hat für mich etwas ganz Besonderes, sagt Lilly. Da kommt der Engel zu den Hirten, den rauen Buschen, und sagt deutlich: Fürchtet euch nicht. Als gäbe es nicht genug zum Fürchten, sagt Lilly. Die Kriege wegen Hass, Macht und Gier, die wachsende Armut, das Klima. Das macht mir Angst. Darum liebe ich den Engel mit seinem Fürchtet euch nicht!, sagt sie und lächelt. Das klingt so ein bisschen trotzig, wie ein kleines Dennoch. Lilly wedelt jetzt beim Reden mit ihren Händen. Da ist die kleine Welt in Bethlehem, sagt sie. Alle fürchten sich, mehr oder weniger. Die Hirten, Josef und Maria. Die seltsame Volkszählung zum Steuern eintreiben. Die Welt, das Leben macht ihnen doch Angst. Wie uns heute.

Aber dann kommt der Engel und sagt: Fürchtet euch nicht! Weil der Engel weiß, dass es etwas gibt gegen die Furcht. Dass wir den Ängsten nicht ausgeliefert sind. Damals nicht und heute nicht. Lilly ist jetzt ganz eifrig und redet viel schneller. Die Liebe stellt sich gegen die Furcht, sagt sie. Das erlebe ich bei uns, in der Familie. Manchmal geht es hoch her, wir sind selten einer Meinung. Kein Wunder bei drei Kindern zwischen neun und fünfzehn. Aber - wir passen immer auf uns auf, habe ich gemerkt; wir mögen uns, wir brauchen uns. Lilly wird jetzt wieder ruhiger. Das mag ich so an Weihnachten, sagt sie: dieses kleine, trotzige Dennoch. Liebe kann so viel mehr als die Furcht, oder? Und wenn es nur eine kleine Umarmung ist.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)

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