Leben lernen mit Picasso

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/14022

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrer Michael Becker

aus Kassel

Leben lernen mit Picasso 05.02.2024

Als ich zur Schule ging, klang das wie ein Schimpfwort: Picasso. Meine Kunstlehrerin verzog das Gesicht bei diesem Namen. Und wir alle verstanden nicht, was der eigentlich wollte: Pablo Picasso (1881 - 1973), der große spanische Maler. Wir sahen auf seinen Bildern schräge Gesichter, vertauschte Köperteile, wilde Farben - und hörten Erwachsene spotten: Sinnlos, verrückt. Eben abstrakt. Das war für manche Lehrer so ähnlich wie dumm oder verheerend. Später dann sahen wir Bilder von Picasso, die waren gar nicht abstrakt. Dafür nur warm. Und friedlich. Da gibt es ein kleines Kind, das hat eine Taube im Arm; oder ein Mädchen steht fröhlich auf einer Wiese. Und wir konnten lesen, was der Maler über sich selber sagte: Als junger Mann konnte ich schon malen wie der große Raffael; aber ich brauchte ein ganzes Leben, um zeichnen zu können wie ein Kind.

Das klingt bescheiden; aber auch selbstsicher. So ehrlich war der Maler mit den wilden Zeiten, mit den abstrakten, beinahe verrückten Bildern. Der dann, im hohen Alter von neunzig Jahren, ganz bescheiden malte und redete. Und einfach. Nicht banal, wohlgemerkt. Eine Taube mit Ölzweig, ein Kind mit einem Schirm - Zeichen bescheidenen Lebens. Es muss nicht immer kompliziert sein, das Leben. Es geht auch einfach, manchmal. Kinder sind dann voller Ansprüche, wenn sie dazu gebracht werden. Von Erwachsenen. Man wird nur maßlos, wenn es kein Maß mehr gibt. Nirgendwo. Wenn immer alles möglich ist und man überall mitmachen will. Wenn niemand mehr eine Grenze setzt; man immer nur haben will und nochmal haben. Dann wird man bald noch etwas: einfacher, weniger laut, weniger Ansprüche. Milder im Urteil. Im guten Sinn des Wortes genügsam. Mit sich selber im Reinen. Mit Gott auch. Das eigene Leben mit den Augen des Kindes sehen. Weil ein Kind spürt: seiner selbst überdrüssig.

Manche brauchen ein langes Leben, um wie ein Kind zu werden: einfacher, weniger laut, weniger Ansprüche. Milder im Urteil. Im guten Sinn des Wortes genügsam. Mit sich selber im Reinen. Mit Gott auch. Das eigene Leben mit den Augen des Kindes sehen. Weil ein Kind spürt: Ich bin bedürftig. Ich brauche Vertrauen. Viel mehr als viele Sachen brauche ich Vertrauen. Zu Menschen und zu Gott. Und wenn ein Picasso das lernt, will ich das auch.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)

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