Kleiner Satz, großer Wunsch

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/14026

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrer Michael Becker

aus Kassel

Kleiner Satz, großer Wunsch 09.02.2024

Neulich war dieses schöne Mittagessen. Ehemalige Kolleginnen und Kollegen, jetzt alle im Ruhestand. Es ging munter zu. Was machst du? Wo wohnst du jetzt? Was machen die Kinder … und so. Sie kennen das. Man freut sich über das Wiedersehen und dass alle noch da sind. Und als Erika dann von sich erzählt, fällt wie nebenbei ihr Satz, dass sie nicht mehr gesund ist, sondern eher ziemlich krank. Erst sagt Erika das, dann spricht sie weiter über dies und das. Aber ich merke sofort, dass sich erst die Blicke und später der Ton der anderen verändert. Sie sprechen leiser, eher schüchtern. Auf einmal müssen auch zwei Gäste schon vor dem Nachtisch gehen. Davon war bisher keine Rede. Der kleine Satz über die Krankheit hat alles verändert. Als seien nun alle bedrückt. Nur Erika nicht. Die wollte einfach nur die Wahrheit sagen. Und andere wollten sie nicht hören.

Seltsam ist das. Als sei Krankheit ein Gift, das alles trübt und zersetzt. Aus dem Lachen am Tisch wurde Verlegenheit; die Sätze wurden auf einmal banal. Es war, als säße ein düsterer Gast mit am Tisch. Und dann stehen auch noch zwei auf und müssen gehen. Ganz plötzlich. Manches will man wohl einfach nicht hören. Obwohl es doch alltäglich ist. Erika ist knapp siebzig und krank. So ist das. Und einige, die mit ihr gearbeitet haben, wollen das lieber nicht wissen. Werden an etwas erinnert, was zwar zum Leben gehört - was sie aber gerne wegschieben.

Gut ist das nicht. Hilfreich auch nicht. Man kann sich das Leben ja nicht aussuchen. Und Krankheit geht nicht weg, weil man aufsteht und geht. Ich glaube, Erika hat das gemerkt. Sie hat darüber nicht gesprochen. Aber sie war froh über die, die bei ihr geblieben sind und ihr noch etwas zugehört haben. Sie war überhaupt nicht traurig oder bedrückt. Sie erzählte noch von ihrer Familie und dem Nachbarn, der manchmal mit anpackt. Und dass ihr ein kleines Gebet hilft, das sie manchmal spricht: Lieber Gott, sagt sie dann, hilf mir, möglichst heiter zu bleiben; und tapfer. Ein kleiner Satz nur. Aber ein großer Wunsch fürs Leben. Auch für Gesunden.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)

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