G’tt und Welt

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/14392

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Evamaria Bohle

aus Berlin

G’tt und Welt 05.08.2024

„Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen“, so staunt Alfred Delp. Er ist im Gefängnis. 37 Jahre alt. Einer von den Frommen. Priester sogar. Jesuit. Und er hört nicht auf, seine Gottesgedanken aufzuschreiben. Die Nazi-Diktatur wollte sein Hoffnung brechen, ihn zum Schweigen bringen - es ist ihr nicht gelungen.

Ich werde diesen unerhörten Satz nicht los, seit ich ihn das erste Mal gehört habe. „Gott quillt aus allen Poren der Dinge gleichsam uns entgegen.“ Wirklich? Wie kann Alfred Delp das schreiben - in seiner Situation? Seine Worte sprudeln in mir, zwischen meinen Gedanken, in meinem Alltag. Wie eine Quelle. Ich kann sie nicht unterdrücken. Sie drängen immer wieder an die Oberfläche meines alltagstauglichen Bewusstseins. Wie kann man lernen, die Welt so zu sehen? Ohne blind zu sein für die Fakten, Fakten, Fakten… Ich möchte mich auf die Suche machen: nach dieser Welt, die G’ttes so voll sein soll.

Alfred Delp - wie gesagt - schreibt diese Zeilen im Gefängnis. Es hat politische Gründe, dass er inhaftiert ist. Nach dem misslungenen Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wird er festgenommen. 80 Jahre ist das her. Er war nicht eingeweiht in die Attentatspläne, aber er hat Verbindungen zu Eingeweihten. Er hat mitgedacht an der Gestalt eines freien Deutschlands nach dem Ende des Krieges. Er hat Menschen zusammengebracht, die der mörderischen Diktatur ein Ende setzen wollen. Er ist ein unbequemer Christ. Das reicht, um ein Staatsfeind zu werden. Wie kann man in so einer Situation noch sagen: Die Welt ist Gottes so voll? Ist sie nicht vielmehr voll mit allem, was nicht G’tt ist? 

Alfred weiß, dass er hingerichtet wird, als er diese Worte schreibt. Nach der Hinrichtung wird sein Leichnam verbrannt und die Asche am Stadtrand von Berlin verstreut auf den Rieselfeldern. Das sind Flächen zur Reinigung von Abwasser . Spurlos sollen sie verschwinden, die Widerständigen, in der Kloake der großen Stadt. Doch das gelingt nicht. Alfred Delp wird auferstehen, in seinen Worten.

Heute sind diese ehemaligen Rieselfelder ein Naherholungs- und Naturschutzgebiet. Wald und Wiesen und Weideland. Ein Geschenk von Weite. Man kann den Wind hören. Man kann die Stille kosten. Das Auge entspannt. Das unruhige Herz schlägt etwas weniger unruhig. Und auch hier steigen die Worte Alfred Delps in mir auf: „Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen.“

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)

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