Handys im Himalaya

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/14503

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrer Jörg Machel

aus Berlin

Handys im Himalaya 16.09.2024

Vor 40 Jahren kam ich in meiner Ausbildungszeit zum Pfarrer nach Nepal. Ich habe dort für die deutschsprachige Auslandsgemeinde gearbeitet. Seitdem hat sich in dem Land des Himalaya-Gebirges viel verändert. Und doch war mir vieles noch vertraut, als ich im Frühjahr dieses Jahres zum ersten Mal wieder nach Nepal reiste.

Die Städte im Kathmandutal sind so zusammengewachsen, dass ich nicht mehr erkennen konnte, wo der eine Ort aufhört und der andere beginnt. Die Straßen sind nach wie vor in schlechtem Zustand, aber der Verkehr hat sich vervielfacht. Die Luftverschmutzung ist krankmachend. Mit seiner Schadstoffbelastung gehört Kathmandu zur Weltspitze.

Vertraut waren mir die Terrassenfelder, als ich über Land fuhr. Überall sieht man die Leute bei der Arbeit. Sie beackern die Felder, hüten Tiere, tragen Lasten – ganz so wie in meiner Erinnerung.

Neu ist: Überall sieht man Mobiltelefone. Die alte Frau vor ihrem Gemüseladen ist damit genauso beschäftigt wie der Schüler auf dem Nachhauseweg. Selbst der Lastenträger holt sein Handy raus, wenn er eine Verschnaufpause macht.

Bei uns in Europa hat in der Reformationszeit der Buchdruck ein neues Zeitalter eingeläutet. Ich vermute, dass die Verbreitung des Mobiltelefons ähnlich tiefgreifende Spuren im gesellschaftlichen Leben hinterlassen wird – bei uns und in Nepal.

Was das genau bedeutet, darüber spekulieren die Einheimischen. Auf einmal sind sie mit der ganzen Welt verbunden. Sehen den Luxus des Westens, kennen die Weltmarktpreise für Güter und Dienstleistungen. Sie vergleichen. Bei einigen jungen Leuten wächst dabei die Sehnsucht, ihr Glück anderswo zu suchen. Gerade die gut ausgebildeten jungen Männer der Mittel- und Oberschicht wollen sich nicht mit den Verhältnissen im Land abfinden und gehen weg, so hörte ich auf meiner Reise. Und meist kommen sie nicht zurück, obwohl sie doch so dringend im Land gebraucht würden.

Für den Tourismus in Nepal ist das Mobilfunknetz jedoch eine Chance, die auch einfache Leute für sich zu nutzen wissen. Die Bildung wird dadurch befördert, dass das Weltwissen für jede und jeden abrufbar ist. Jugendliche sind motiviert, Englisch zu lernen. Sie sind auch in den entlegenen Bergdörfern nicht mehr abgeschieden, sondern wollen teilhaben am Weltgeschehen. Es bewegt sich etwas, das habe ich überall gespürt und gehört im Land des Mount Everest.

Der Buchdruck brachte in Europa einen Emanzipationsschub mit sich. Das Handy könnte in Nepal eine vergleichbare Wirkung haben.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)

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