Sound of Peace

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/14363

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pastor Oliver Vorwald

aus Hannover

Sound of Peace 23.10.2024

Der Sound des Krieges. An manchen Tagen ist er in meiner Heimatstadt Uelzen zu hören. Es klingt, als wären die Kämpfe in der Ukraine ganz nah. Ich habe diesen Gefechtsdonner bei einer Trauerfeier auf dem Friedhof erlebt. Der Pastor spricht gerade die Beerdigungsworte: Asche zu Asche, Staub zu Staub. Da grollt es in der Ferne. Einmal, zwei Mal. Blaumeisen spritzen wie Schrapnelle durch die Zweige. Es ist ein dumpfes Grollen, legt sich unter alle anderen Geräusche. Den Verkehrslärm, das Tuscheln der Sargträger.

Das Donnergrollen kommt vom Erprobungszentrum des Waffenbauers Rheinmetall in Unterlüß, etwa 30 Kilometer entfernt. Rheinmetall testet dort seine Kanonen, Munition, Artilleriefeuer. Es sind gute Zeiten für Waffenbauer. Kriegstüchtig werden, lautet die Devise, die Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius im Juni im Bundestag ausgeben hat. (1) Wehrhaft sein, verteidigungsbereit, das verstehe ich. Aber kriegstüchtig? Tüchtig im Sinne wie einst die fleißige Hausfrau? Tüchtig ist verwandt mit dem Wort „taugen“. Das würde bedeuten: fit für den Krieg. Von der Ausstattung – und in der Einstellung.

Auf dem Friedhof in Uelzen gibt es noch Gräber aus dem letzten Krieg. Manche verwittert, verwildert, andere gepflegt. In die Steine sind die Jahreszahlen zwischen 1939 bis 1945 eingeschlagen, Kürzel für militärische Ränge, Ortsnamen, wie sie heute in Nachrichten wieder auftauchen: Kiew, Charkiw, Kursk.

Auf einem Grabmal sehe ich das Eiserne Kreuz, das heute als Hoheitszeichen für die Bundeswehr dient: auf Panzertürmen, den Tragflächen der Eurofighter. In einen anderen Grabstein ist die Silhouette eines Stahlhelms eingraviert, darunter „Stalingrad“. Allein dieses Wort weckt in mir eine Flut von Bildern. Ruinen, winzige Gestalten, die durch die Trümmer springen, fallen, nie wieder aufstehen.

Ich bin Pazifist, muss mich aber immer wieder dazu erziehen. Als Junge habe ich Cowboy gespielt oder Soldat, Flugzeuge gebastelt, Zinnfiguren bemalt. Mit der Konfirmation wird es anders. „Selig, die Frieden stiften.“ Dieses Jesus-Wort begleitet mich seitdem. Als der Musterungsbescheid eintrudelt, erscheine ich in Latzhose, mit Peace-Zeichen und langen Haaren beim Kreiswehrersatzamt.

Ich werde Kriegsdienstverweigerer, nehme aber mit 35 Jahren die Einladung zum Großen Zapfenstreich an. Ich bin tatsächlich ergriffen, als es im Fackelschein heißt: „Helm ab zum Gebet.“ Und als Bundeskanzler Olaf Scholz ankündigt, dass wieder US-amerikanische Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert werden sollen, gibt es in mir keinen Protest. Zurück zur Abschreckung, die hat doch jahrzehntelang für Frieden in Europa gesorgt.

Ich erinnere mich an die vielen Manöver in der Lüneburger Heide während meiner Kindheit. Briten, Niederländer, Amerikaner. Das Rasseln der Ketten, die winkenden Soldaten, das dumpfe Grollen der Übungsgefechte. Für mich klang das damals weniger bedrohlich als das Übungsschießen heute, das vom Waffenbauer Rheinmetall in Unterlüß bis nach Uelzen donnert.

Wehrhaft sein, verteidigungsbereit. Angesichts des Krieges in der Ukraine ist das wichtig. Aber die Logik der Falken, der Militärs und Waffenbauer darf nicht die einzige sein, alles beherrschen. Es braucht zugleich ein starkes, wortgewaltiges Gegenüber, pazifistische Mahnerinnen – Menschen wie Margot Käßmann, Konstantin Wecker, Papst Franziskus oder von früher Friedrich Schorlemmer, Petra Kelly, Martin Luther King. Sie gehören mit ins Gespräch.

Was dem Frieden dient, das muss doch das Ziel sein. Ich will, dass der Traum von einer Welt ohne Kanonendonner lebendig bleibt. Dass eines Tages Schwerter zu Pflugscharen werden. So wie auf dem DDR-Kirchentag 1983 in Wittenberg. Da haben sie tatsächlich ein Schwert zu einer Pflugschar umgeschmiedet. So klingt er, der Sound des Friedens.

Es gilt das gesprochene Wort.

Literaturangaben:

Regierungsbefragung im Bundestag am 5. Juni 2024: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw23-de-regierungsbefragung-1002264

Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)

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