Tee in der Sahara

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/14364

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pastor Oliver Vorwald

aus Hannover

Tee in der Sahara 24.10.2024

„Meine Lieder sind wie eine Art Gebet.“ (1) Das hat der britische Musiker Sting gesagt. An diese Worte musste ich denken, als mir der Algorithmus die Sonderausgabe von „Synchronicity“ (2) in die Timeline gespült hat: 40. Jahrestag des letzten Studioalbums von The Police, die Band, in der Sting der Sänger war. (3)

Zu Hause nehme ich die Platte aus dem Schrank. Weißes Cover, drei fette Pinselstriche. Gelb, blau, rot. Darauf Songs voller Poesie, Schmerz und Glauben. „King of Pain”, „Every Breathe You Take”. Aber vor allem liebe ich „Tea in the Sahara“.

Der Titel klingt so lyrisch, seltsam sehnsüchtig und widersprüchlich zugleich: Tee in der Wüste, dieser lebensfeindlichen Umgebung. Jesus fastet dort, hungert, kämpft mit dem Teufel, spricht in die Stille seine Gebete.

Das Lied vom Teetrinken in der Sahara erzählt von drei Schwestern. Sie kaufen ein Service, wandern ins Herz der Wüste. Dort warten sie auf den einen, ihre große Liebe, beten um ein Wiedersehen. Und ein beschützender Himmel schaut zu, singt Sting:

Einspieler: “My sisters and I / Have one wish before we die (0:35) / And it may sound strange / As if our minds are deranged …”

Die Geschichte vom Tee in der Sahara ist eine alte arabische Legende. Sting entdeckt sie im Buch „The Sheltering Sky“, der schützende Himmel von Paul Bowles. *** Dort wird sie auf den ersten Seiten erzählt, geheimnisvoll nachts von einer Beduinin. Drei Schwestern verlieben sich in einen schönen Tuareg, tanzen für ihn, lieben einander eine ganze Nacht. Am nächsten Morgen verabreden sie ein Wiedersehen in der Sahara, und der junge Mann reitet auf seinem Dromedar davon.

Die Schwestern schließen sich einer Karawane an, ziehen in die Wüste. Sie warten Tag um Nacht, beten zum Mond, vergeblich. Schließlich verbrennen sie unter der sengenden Sonne. Sting überträgt die Legende in drei Strophen, lässt im Refrain immer wieder das Teetrinken in der Sahara anklingen. (4)

Einspieler: “Tea in the Sahara with you / Tea in the Sahara with you / Tea in the Sahara …”

Flirrender Sound wie eine Fata Morgana. Die gleichmäßig schreitende Basslinie erinnert mich an den Gang des Dromedars, auf dem der junge Tuareg, die große Liebe der drei Schwestern, davonreitet.

Nach meinem Abitur habe ich das Police-Album „Synchronicity“ auf Kassette kopiert. Ich nehme sie mit, als wir an die Nordsee fahren. Nachts, knallverliebt, alles unschuldig und neu. Ein Parkplatz am Strand. Wir liegen in den Dünen, schauen zum Himmel, bloß Händchenhalten, weit oben dümpelt ein halber Mond.

Im Auto läuft meine Kassette. Das Lied vom Tee in der Sahara weht herüber, wird zum Soundtrack einer Sehnsucht. Doch meine Gebete erfüllen sich nicht. Aus uns wird kein Paar.

Einspieler: “But he'd never return / So the sisters would burn / As their eyes searched the land / With their cups still full of sand …”

Mich rührt dieses Lied nach wie vor an. Die drei Schwestern, wie sie ihrer Sehnsucht folgen, darunter verbrennen. Es geht eben nicht alles gut aus im Leben. Manche Geschichten enden tragisch. Aber sich ängstlich verkriechen, ist keine Option.

Jesus macht in seinen Gleichnissen immer wieder Mut, etwas zu riskieren. Er hat an die Kraft der Liebe hinter dem alles beschützenden Himmel geglaubt, darauf vertraut. Wenn Stings Lieder wie eine Art Gebet sind, dann könnte der Song vom Tee in der Sahara um dies bitten: Um die Kraft, seiner Sehnsucht zu folgen, ohne auf das Ende zu schauen.

Die Legende von den drei Schwestern im Roman „The Sheltering Sky“ endet bemerkenswert. Eine Karawane findet die Frauen. Auf der höchsten Düne, in sich zusammengesunken, ihre Tassen gefüllt mit Sand. Ein Mann sagt bei ihrem Anblick: „Sie hatten ihren Tee in der Sahara.“

Es gilt das gesprochene Wort.

Literaturangaben:

(1) ttt_titel_thesen_temperamente auf Instagram vom 01.10.2021, abgerufen am 12.09.2024. Vgl. https://www.instagram.com/p/CUhErEHqOEv/?utm_medium=copy_link.

(2) Instagram-Post vom 26.07.2024 | zuletzt abgerufen am 25.09.2024: Featuring the largest collection of archive recordings ever released by The Police, alongisde rare photographs, memorabilia and more, 40th anniversary editions of Synchronicity are out now! 

(3) Vgl. https://www.instagram.com/thepolicebandofficial/reel/C95HnP5s_Wk/?igsh=MzRlODBiNWFlZA%3D%3D.

Available on 6CD, 4LP, 2CD, 1LP picture disc, 2LP colour and digital.

(4) P.Bowles, The Sheltering Sky (New York, 1949) | Himmel über der Wüste, Gütersloh 1986, S.33-35.

(5) Sting.com > Album > Discography > King Of Pain, 12″. A About ‘Tea in the Sahara’ vom 06.01.1984, abgerufen am 28.08.2024.

Musikangaben:

(1) Sting | Gordon Matthew Sumner: Tea in the Sahara., Tea in the Sahara.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)

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