Wege aus der Sucht
Shownotes
Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/14509
Transkript anzeigen
Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrer Titus Reinmuth
aus Wassenberg
Wege aus der Sucht 03.12.2024
Joschka: Also ich habe schon, ich glaube, mit 15 angefangen, Alkohol zu trinken und auch regelmäßig. Aber so richtig Klick gemacht hat es erst bei Gras.
So erinnert sich Joschka. Heute ist er 30 und seit vielen Jahren clean. Er wohnt immer noch mit alten Freunden in einer Clean-WG. Sie waren zusammen in einer Suchtklinik. Zwei Jahre Therapie, da lernt man sich kennen. Sein Freund Julian erinnert sich gut.
Julian: Man lernt ja neue Verhaltensmuster, die so die alten überdecken sollen, dass man halt nicht wieder zu der Substanz greift. Die soll man weiterleben. Und deswegen sind solche Clean WGs eigentlich perfekt.
Louis, der Dritte in der WG, ergänzt:
Louis: Man muss dann aber gucken natürlich, dass man mit Leuten sich was sucht oder zusammenwohnt, mit denen man sich gut versteht, mit denen auch Spaß haben kann, ohne nur rein auf dieser Therapieebene zu leben. Das ist voll wichtig. Ich glaube sonst hätte das bei uns nicht so lange geklappt.
Bei den dreien hat es geklappt. Sie unternehmen tatsächlich viel zusammen. Ein Grillabend, eine Fahrradtour, manchmal lange Gespräche am Küchentisch. Mich interessiert: Wie haben sie den Weg heraus gefunden aus der Krise, aus der Sucht? Im Podcast „Ansprechbar“ erzählen Joschka, Julian und Louis ihre Geschichte. Sie wissen noch gut, wie das war, den Entzug zu machen und mit einer Therapie zu beginnen. Das hat richtig gutgetan.
Julian: Weil die Zukunftsängste weg waren, weil klar war, du bist jetzt hier, du hast eine Aufgabe, das ist Therapie. Hier sind 15 andere Menschen in einer Gruppe, die dich dabei begleiten. Und du hast sogar noch Therapeutinnen, die dich an die Hand nehmen und die deine Probleme ernst nehmen.
Joschka: Ich fühlte mich plötzlich so unbeschwert und leicht. Einfach, weil das alles, weil dieser ganze Dreck, den ich so angesammelt habe, ist einfach von mir abgefallen.
Louis: Und in der Therapie würde ich sagen, dass mir die Psychotherapie am Anfang auf jeden Fall sehr viel Kraft gegeben hat und sehr viel Unsicherheit genommen hat. Auf jeden Fall, weil ich da doch sehr unsicher und traurig war. Und da konnte man sehr viel rauslassen, hatte ich das Gefühl, also sich dann auch vor anderen dann als nächsten Schritt zu öffnen, fand ich sehr hilfreich.
Julian, Joschka und Louis haben ihr Schicksal selbst in die Hand genommen, haben eine Therapie absolviert und einen Weg aus ihrer Sucht gefunden. Was brauchen sie bis heute, um weiter gut und stabil zu leben?
Julian: Ich erlebe immer noch viele Krisen, kleine Krisen. Und ich glaube, im Optimalfall schaut man dann drauf mit Menschen, bei denen man sich fallen lassen kann, wenn man selber dazu in der Lage ist. Aber das würde ich auf jeden Fall sehr ratsam finden, dass man sich anvertrauen lernt.
So sieht das Julian. Und Louis sagt:
Louis: Also was ich brauche, ist auf jeden Fall Struktur und das Zusammenleben mit Menschen. Das gibt mir Halt. Und … was gibt mir sonst noch Kraft? Ich brauche Bewegung, Sport und Hobbys. Das gibt mir viel, viel Lebensfreude auf jeden Fall.
Joschka kann das nur bestätigen.
Joschka: Bei mir ist es auch wirklich meine WG. Das ist der Kern dessen, was mich clean hält, muss man wirklich sagen.
Ob Menschen, die glauben, noch eine andere Kraftquelle haben? Julian hat da diesen Gedanken.
Julian: Wenn man süchtig ist, dann kommt es ein bisschen daher, dass man so eine kleine Sehnsucht verspürt oder auch etwas sucht. Etwas, das einfach so ein Stück weit wie ein Pflaster für eine Verletzung wirkt. Und ich glaube, das kann Gott schon darstellen. Und ich glaube auch, dass, wenn Menschen irgendwie an Gott glauben, dass sie darin so einen Halt finden, dass sie nicht unbedingt auf Substanzen diesen auslagern müssen.
Joschka erinnert sich, er hatte am Anfang nichts, woran er hätte glauben können.
Joschka: Das kam erst so in der Therapie. Also auch nicht der Glaube an Gott, aber der Glaube an etwas, so dass etwas meinem Leben Sinn gibt.
Er kann das am Ende sehr einfach auf den Punkt bringen.
Joschka: Wenn ich diese Leute nicht hätte, die mich schon so lange begleiten, dann würde ich hier nicht sitzen. Doch das ist schon der wichtigste Punkt: Einfach Leute zu haben, die sich um einen sorgen und um die man sich sorgt. Beides. (0:11)
Das kann ich unterschreiben: Ganz gleich, ob man selbst in einer Krise steckt oder jemanden kennt, der betroffen ist, wichtig ist, dass man jemanden hat, der sich um einen sorgt, und dass da jemand ist, um den man sich sorgen kann.
Es gilt das gesprochene Wort.
Anmerkungen zur Sendung:
Link zum Podcast: https://ansprech.bar/#episoden
Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)
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