Leben mit dem Trauma

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/14510

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrer Titus Reinmuth

aus Wassenberg

Leben mit dem Trauma 04.12.2024

Manchmal lerne ich Menschen kennen, da bin ich einfach nur beeindruckt. Detlef Förster zum Beispiel ist seit fast 30 Jahren Soldat und lebt mit einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Detlef: Das ist eine psychische Erkrankung, die anerkannt ist halt, ich sag immer so schön, dann hat man halt nen rostigen Nagel in der Birne.

Detlef ist viele Monate in Afghanistan gewesen, auf mehreren Einsätzen, immer wieder. 2011 wird ein entscheidendes Jahr für ihn.

Detlef: In den sieben Monaten, wo ich da unten gewesen bin, sind sieben Kameraden von mir ums Leben gekommen. Da waren halt auch zwei dabei, mit denen ich morgens noch dagestanden habe. Und das hat mich dann in dem Sinne verändert, als die Särge an mir vorbei getragen worden sind, da ist halt auch eine Sicherung durchgebrannt.

All die Erlebnisse im Einsatz haben Spuren hinterlassen. Fachleute sprechen von einer „komplexen Traumatisierung“. Nicht ein Ereignis ist zu verarbeiten, sondern viele. Zuhause kommt Detlef irgendwann nicht mehr klar.

Detlef: Also ich hab eigentlich den ganzen Tag, obwohl ich hier in der Sicherheit war und in Deutschland lebe, nur noch Bilder aus Afghanistan gehabt und konnte das alles nicht mehr einordnen. Das ist wie ein Bilderalbum, was runterfällt und alle Bilder aus dem Leben sind auf einmal wild durcheinander und du kannst sie nicht mehr einsortieren.

Im Podcast „Ansprechbar“ erzählt Detlef Förster seine ganze Geschichte. Wie er es geschafft hat, mit dem Trauma zu leben. Der Schauspieler Samuel Koch, selbst krisenerfahren, moderiert den Podcast. Beide sind sich schnell einig, dass das eigene Umfeld eine wichtige Rolle spielt, wenn sich das Leben plötzlich so stark verändert.

Samuel: Ich bin mir relativ sicher, dass meine Eltern und meine Geschwister und manchmal heute noch meine Frau mehr unter meiner Situation, der Behinderung, den Umständen der Querschnittlähmung leiden als ich selber. (0:12)

So Samuel Koch. Und dennoch sind die andern da und geben Halt.

Samuel: Ich wüsste nicht, wo ich wäre oder ob ich noch da wäre ohne Freunde und Familie und Menschen, die einem nicht den Rücken gekehrt haben. So wie ich dich verstehe, könntest du das bestätigen.

Detlef: Auf jeden Fall. Also Manuela ist neben Gott für mich die beste und wichtigste Beratung, der Rückhalt, den ich brauche. Ich bin ja nicht mehr der Mensch, den sie geheiratet hat, aber trotzdem hält sie an mir fest. Sie baut mich auf, sie lebt mit all meinen Makeln.

Und so begleitet Manuela ihren Mann Detlef durch die Krise. Er macht eine Therapie. Auch sein Glaube gibt ihm Kraft. Die Vorstellung, dass Gott noch etwas mit ihm vorhat.

Detlef: Trotz all dem Schlimmen, was ich erlebt habe, was passiert ist, was diese Krankheit mit mir gemacht hat, liebe ich mein Leben und bin einfach dankbar dafür, dass ich das alles erleben durfte. Und auch, dass es so ist, wie es jetzt ist, weil ich glaube, ich hätte mein Leben sonst nicht so intensiv gelebt.

Manchmal versteht man das Leben erst im Rückblick und kann trotz Krisen dankbar sein. Bei allem, was geschafft ist, Detlef Förster hat noch Ziele. Er möchte alle Gefühle wieder spüren können.

Detlef: Ich weiß, was Liebe ist. Ich weiß, was Freude ist. Und was ich auch möchte, weil das halt auch ein großer Teil meiner Traumatisierung ist: Ich möchte wieder trauern können, ich möchte irgendwann mal wieder weinen können, jemanden in den Arm nehmen, der Mitgefühl mit mir hat, und einfach loslassen und weinen können.

Detlef Förster gilt heute als Mutmacher für Menschen, die mit einer posttraumatischen Belastungsstörung leben. Er hält Vorträge und Seminare zum Thema oder erzählt seine Geschichte so wie im Podcast „Ansprechbar“ mit Samuel Koch. Er möchte etwas dazu beitragen, dass auch andere…

Detlef: …nie den Mut verlieren und nie aufgeben, weil es kommen auch schöne Tage und ich habe diese schönen Tage. Sie sind nicht alle schön. Ja, ich habe auch immer wieder mal ein Tief, aber es geht weiter und das ist für mich so dieser Sinn, wo ich sage, da hat der liebe Gott schon einen Plan gehabt, der jetzt so langsam für mich zum Tragen kommt.

Ich bin mir sicher, dass Detlefs Geschichte viele andere bestärkt, mutig ihren Weg zu finden, wenn das Leben plötzlich anders wird.

Es gilt das gesprochene Wort.

Anmerkungen zur Sendung:

(1) Link zum Podcast: https://ansprech.bar/#episoden

Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)

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