Überwintern

Shownotes

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrerin Kathrin Oxen

aus Berlin

Überwintern 14.12.2024

Katherine May schreibt: „Winter ist nicht einfach nur eine kalte Jahreszeit. Auch im Leben kann es Phasen geben, die sich wie Winter anfühlen. Karge Phasen, in denen man sich ausgesondert, aus-geschlossen, ausgebremst fühlt, in eine Außenseiterrolle gedrängt. Das kann die Folge einer Erkrankung sein oder eines Lebensereignisses, aber auch das einer Demütigung oder eines Scheiterns.“

In einem für mich persönlich schweren Winter habe ich das Buch „Überwintern“ von Katherine May gelesen. In der Buchhandlung steht es in der Abteilung „Lebenshilfe“. Um die mache ich meistens einen Bogen, vielleicht in dem Glauben, in Sinn- und Lebensfragen als Pfarrerin doch schon ganz gut aufgestellt zu sein. Das ist ein bisschen arrogant von mir. Denn das Buch hat mir in einer Phase meines Lebens, die sich wie ein langer Winter angefühlt hat, wirklich geholfen.

Die Einsicht, dass jede Art von Winter nicht das Ende von allem ist, hätte ich eigentlich schon längst haben können. Und „Überwintern“ ist ein aktiver Zustand. Obwohl man es von außen nicht sieht. So waren die hartgefrorenen Furchen der Felder rund um das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, nicht bloß kalte Erde. Überall waren schon grüne Spitzen zu sehen, auch wenn Schnee darauf lag. Und es gab sogar richtiges Kraut auf manchen Schlägen (was sind Schläge?). Das war der Raps, der an milderen Tagen, wenn die Sonne darauf schien, schon sein unverwechselbares Aroma verströmte. Der Frost machte ihm gar nichts aus.

Denn Winterweizen, Wintergerste und Raps werden im Herbst ausgesät. Sie brauchen für ihr Wachstum die Winterruhe, eine Zeit, in der nach außen wenig geschieht. Aber im Mai blühen dann die Rapsfelder und füllen das ganze Land mit ihrem Leuchten und ihrem Duft. Und im Juli wogen der Weizen und die Gerste golden unter der Sonne. Ohne Winter würde es nicht so sein. Und eigentlich weiß ich das doch, von Kind auf weiß ich es. Aber richtig verstanden habe ich es erst in dem einen, schweren Winter.

„Lebensweisheit“, diese Abteilung gibt es in der Buchhandlung leider nicht. Katherine Mays Buch gehört aber unbedingt hinein. Und auch Lebensweisheit braucht wahrscheinlich eine Winterruhe, um zu wachsen. Katherine May schreibt: „Wir müssen lernen, unsere Winter zuzulassen. Es liegt nicht bei uns, ob ein Winter einkehrt – aber es liegt bei uns, wie wir mit ihm umgehen.“

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)

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