Leichter leben

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/morgenandacht/14870/leichter-leben

Transkript anzeigen

Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit

aus Berlin

Leichter leben 26.02.2025

Ich bin immer wieder mal dienstlich auf Reisen. Oft nur für eine Nacht. Ich reise dann mit Handgepäck. Auch wenn es trotzdem mehr als eine Hand ist, die ich zum Tragen brauche. Kürzlich war ich in München, in einer kleinen Pension direkt am Englischen Garten. Keines der üblichen Businesshotels, sondern ein kirchliches Haus. Das Zimmer war klein, aber gemütlich: rund um das Bett lauter handgemalte Heiligenbilder, ein stilvoller alter Schreibtisch mit grüner Glaslampe, davor ein lederbezogener Stuhl mit Armlehne, ein Schrank – sonst nix.

Der Schrank war winzig: Er reichte mir gerade bis zum Kinn, eher ein Schränkchen, dafür handbemalt und aus echtem Holz, ein alter Bauernschrank. Es gab nur ein Fach, daneben eine Stange mit drei Kleiderbügeln. Gerade genug für das, was ich an Kleidung dabeihatte.

Ich stehe also vor dem Schränkchen und schaue auf meinen überschaubaren Besitz auf der Stange: eine Hose, eine Jacke, eine Bluse. Mehr braucht es ja nicht für einen Tag woanders. Die morgendliche Frage entfällt, was ich anziehen soll. Ich denke: Wie anders lebe ich zuhause. Wir haben einen Einbauschrank für zwei. Einen weiteren zum Überwintern der Sommersachen. Zudem einen Schrank im Flur für Jacken und Mäntel und eine Kommode für Schals, Mützen und Regenschirme, die die Familie so braucht. Unfassbar viel im Vergleich zu diesem überschaubaren Schränkchen in meiner Pension.

Es ist so: Mit den Jahren wird alles mehr. In meine erste Studentenbude passte der Umzug in ein winziges Auto. Meine erste Mietwohnung besaß eineinhalb Zimmer. Als Familie brauchten wir schon einen ganzen Möbelwagen. Ich habe mittlerweile einen Flügel geerbt und einen riesigen Geschirrschrank samt Inhalt aus meinem Elternhaus. Alles Dinge, die ich mit geliebten Menschen verbinde, aber eben auch ganz schön viel. Es ist kein Platz mehr in der Wohnung und so schön es ist, Dinge aufzuheben, es ist auch eine Last – und eben alles eine Frage des Maßes.

Ich blicke auf den Bauernschrank in meinem Münchner Hotelzimmer und überlege, wem er wohl gehört hat und was darin aufbewahrt worden ist. Vielleicht ein Hochzeitsschrank für die Aussteuer einer Braut? Für ein Winter- und ein Sommerkleid vielleicht und ein festliches noch für den Sonntag? Das war damals schon viel und ist es heute noch an anderen Orten.

Es ist wohl eine Frage der eigenen Lebensjahre, dass sich die Einstellung zu den Dingen ändert, die wir besitzen. Ich jedenfalls möchte weniger haben: weniger Möbel, weniger Kleider, weniger Tassen im Schrank, auch weniger Termine im Kalender – dafür mehr Zeit und Überblick, mehr Platz in meinem Leben. Fühlt sich tatsächlich gut an und gehört definitiv zu den Verhaltensweisen, über die viel zu wenig gesprochen wird: die Bereitschaft zum Teilen und Verzicht auf eigene Anschaffungen, die bis vor kurzem noch selbstverständlich waren. Das gibt es heute mehr, zum Beispiel Carsharing oder Wohnungstausch, auch das Wertschätzen von Gebrauchtem – Vintage eben wie der Schrank im Hotelzimmer.

Von den ersten christlichen Gemeinden heißt es in der Apostelgeschichte: Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. (Apostelgeschichte 3, 44f.) Dieses urchristliche Prinzip hat nicht lange gehalten. Es blieb Lebensmodell von nur wenigen. Es hier und da wiederzuentdecken, könnte aber helfen, wenn das „Immer mehr“ zu viel wird oder sogar schadet. Alles, was wir haben, ist ja letztlich nur geliehen, bloß auf Zeit. Der Blick für das, worauf es im Leben ankommt, wird klarer, je weniger dazwischensteht. Es lebt und liebt sich leichter mit freien Händen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorländer (martin.vorlaender@gep.de)

Weitere Sendungen, Informationen, Audios und mehr finden Sie unter:

http://rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-radio/deutschlandfunk/morgenandacht

Facebook: https://www.facebook.com/deutschlandradio.evangelisch

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.