Stern unter Bethlehem

Shownotes

Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/node/12536

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Wort zum Tage im Deutschlandfunk Kultur

Pfarrerin Veronika Krötke

aus Berlin

Stern unter Bethlehem27.06.2022

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe.

Ganz ehrlich? Von weiten Toren und offenen Türen konnte keine Rede sein, als ich mich mit einer Horde drängelnder, sich bekreuzigender und fotografierender Touristen durch die Geburtskirche in Bethlehem quetschte. Nach Grenzkontrollen zwischen Jerusalem und Bethlehem nervte mich das Gedrängel und Geschubbse hier erst recht. Zur Geburtsgrotte Jesu geht es tief hinab. Ich fürchtete um jeden falsch gesetzten Schritt. Kein Sternenzelt, dass sich nächtens über mir ausbreitete, keine Klarheit, keine Freiheit. Kein Morgenlicht, dass heranbricht. Eher dicht an dicht, Schulter an Schulter, Bauch an Rücken drückte mich die Menschenschlange tief in die Grotten hinein. Wo bist Du Sonne blieben? Du Stern über Bethlehem? Halb dunkel wars, stickig, im funzeligen Licht teppichverhangener Grottenwände.

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt der hoch, dass der König der Ehre einziehe.

Gut, also beugte ich mich. Nicht nur dem Druck der Masse, sondern auch den niedrigen Umrissen des Grottengemäuers. Bis die tuschelnde Prozession erneut stoppte. Stern über Bethlehem, zeig mir den Weg, führ mich zur Krippe hin, sang ich in meinem Sommerkleid vor mich hin.

Und der Weg führte zum Stern unter Bethlehems Stadt. Die Anbetenden sanken vor dem silbernen Stern des Geburtsorts Christi auf die Knie und küssten ihn – bis wir noch eine Grotte tiefer zum mutmaßlichen Standort der Krippe gelangten. Komm, du Morgenstern, freue dich, der Herr ist nah.

Ja, das war er, denn ich beschloss, wider alle Vernunft, dass ich mitgehen würde - auf die Knie. Es blieb nicht viel Zeit. Ein kurzer Kniefall, eine Grotte tiefer drängte uns die Menschenmenge schon wieder weiter treppauf. Heraus aus den Tiefen, in die Katharinenkirche.

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe.

So schickte der König der Ehren seinen Sohn also auf die Welt. Durch niedrige Türen und enge Tore. Das Ganze endete in einer abenteuerlichen Fahrt zurück nach Jerusalem. In Grenzkontrollen und Gesprächen über das Errichten von Mauern.

Oh, Bethlehem, du kleine Stadt, du liegst nicht still. Alle Weihnachtslieder schossen kreuz und quer durch meinen Kopf, während die Sonne wieder heiß auf mich herunterbrannte. Ja, ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht sattsehen, egal, wieviel brummelnde Leute sich um mich herumschieben. Ich kann nichts weiter, als anbetend stehen zu bleiben.

Am Morgen noch Grabes-, für mich Auferstehungskirche in Jerusalem, am Nachmittag Bethlehem. Weihnachten und Ostern fallen zusammen. Dazwischen Mauern und Soldaten.

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Reinhold Truß-Trautwein (reinhold.truss-trautwein@gep.de)

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