Entfeindung
Shownotes
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrerin Sandra Zeidler
aus Nrnberg
Entfeindung 25.03.2025
Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlgt, dann halt ihm auch die linke hin. Aua! Das ist einer der heftigsten Stze aus der Bibel. Auch nach ber 2000 Jahren provoziert er noch. Warum sollte ich das machen? Warum sollte ich nicht zurckschlagen? Warum sollte ich auf den Hass-Post keine deftige Antwort setzen? Warum sollte ich dem Fahrer, der mir die Vorfahrt genommen hat, nicht den Stinkefinger zeigen?!
Entfeindung heit das Stichwort. Der jdische Religionswissenschaftler Pinchas Lapide hat dieses Wort erfunden: Entfeindung.
1922 in Wien geboren, wurde Lapide als 16-Jhriger von den Nazis ins Konzentrationslager gebracht. Er konnte fliehen und schaffte es nach Palstina. Er kmpft in der British Army gegen die Nazis. In den 1970er Jahren kommt er nach Deutschland und wird einer der wichtigsten Brckenbauer bei der Verstndigung zwischen Juden und Christen nach dem Holocaust.
Einer, der zum Opfer gemacht worden war, im Land der Tter. Einer, der, nur weil er Jude war, zum Feind gemacht wurde und der mit den Alliierten gegen den deutschen Feind gekmpft hat, setzt sich ein fr Annherung und Vershnung. Lapide studiert die Bergpredigt von Jesus und formuliert: Die Entfeindung bekmpft die Feindschaft aber nicht den Feind.1
Ich will ernst nehmen, was in der Bergpredigt steht. Ich will reden ber diese Mglichkeit, mit Provokation und Gewalt umzugehen: die andere Wange hinhalten. Wie bekmpfe ich die Feindschaft und nicht den Feind, meinen Mitmenschen?
Bei einer Demo Anfang des Jahres gegen Rechtsextremismus und fr Demokratie wurde von der Bhne skandiert: Ganz Nrnberg hasst die AfD! Tausende Menschen haben mitgebrllt. Ein Gefhl von: Hier sind wir, die Guten, da sind die Bsen, da ist der Feind. Eine Freundin neben mir sagte: Das gefllt mir nicht. Ich will nicht hassen. Das hat nicht nur sie so empfunden. Auf folgenden Demos gab es diesen Slogan nicht mehr.
Nicht hassen. Jesus geht in der Bergpredigt sogar noch weiter. Er sagt: Liebt eure Feinde. (Matthus 5,44) Es ist ja schon nicht immer leicht, die nchsten Menschen zu lieben, die Mutter, die den Sohn lebenslang nicht ernst nimmt, den Mann, der jeden Schritt seiner Frau kontrolliert.
Meine Feinde lieben. Ich spre, dass es dabei um meine Angst geht. Angst vor dem anderen, dem Fremden, das ich nicht kenne. Angst vor Auseinandersetzung. Angst vor anderen Verhaltensweisen, anderen Kulturen.
Ich vermute, ich muss mir meine Angst anschauen: Wo ist sie begrndet, wo nicht? Zur Entfeindung gehrt der Mut, offen zu sein und mich auf mein Gegenber einzulassen. Ich handele als Mensch gegenber einem Menschen. Wir sind verschieden. Wir kommen aus verschiedenen Lndern, aus verschiedenen Kulturen. Wir sprechen verschiedene Sprachen. Aber wir haben eine gemeinsame menschliche Erfahrung, die wir uns erzhlen und die wir achten knnen.
Ob das zwischen zwei verfeindeten Staaten funktioniert, wei ich nicht. Aber in meinem Umfeld versuche ich, nicht in dem Freund-Feind-Denken gefangen zu bleiben.
Denn Gott lsst seine Sonne aufgehen ber Bse und Gute und lsst regnen ber Gerechte und Ungerechte, sagt Jesus. Was mir so schwerfllt, ist bei Gott mglich: die berwindung der Trennung zwischen Wir und Die. Denn wir alle sind Teil von Gottes Schpfung. Ich bin nicht besser, die andere ist einfach nur anders. Dieser Gedanke bewirkt etwas in mir. Entfeindung fngt in meinem Herzen an.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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1 Zitat nach Eugen Drewermann, Das Matthusevangelium. Bilder der Erfllung. Walter Verlag, Olten 1992, 762.
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