Ich bin Leben inmitten von Leben
Shownotes
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrerin Sandra Zeidler
aus Nrnberg
Ich bin Leben inmitten von Leben 27.03.2025
Die Amsel singt wieder. Schon seit einiger Zeit. Frh morgens, ich bin gerade aufgewacht, dringt ihr Gesang durch das geschlossene Fenster. Der Frhling kommt! In der Stadt sind Amseln fr mich die ersten Frhlingsbotinnen. Ich mag ihren Gesang. Er klingt nach tiefen, warmen Fltentnen. Er ist so einfallsreich und die Melodie ist etwas melancholisch, finde ich.
Im Frhjahr singen die Amselmnnchen besonders intensiv. Sie wollen herausstechen. Sie werben mit lautem, variantenreichem Gesang um die Weibchen. Dafr haben sie sich etwas Besonderes ausgedacht: Sie machen Klingeltne von Handys nach. Und seitdem immer mehr Leute ihre Handys stummschalten, imitieren sie die Alarmtne von E-Rollern. Sehr witzig. Und intelligent. Die Amseln gehen mit dem um, was ihnen begegnet. Sie passen sich an, sie wollen berleben, sie suchen nach einem Platz fr sich.
Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will. Albert Schweitzer, der evangelische Theologe und Mediziner, hat das gesagt. Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will. Die Amsel vor meinem Schlafzimmerfenster will leben so wie ich auch. Einfach nur leben. Singen, Neues ausprobieren, eine Gefhrtin, einen Partner finden, Leben erhalten, Leben weitergeben.
Fr Albert Schweitzer verbindet das alle Lebewesen. Wir Menschen sind nicht die Krone der Schpfung, die ber den anderen Tieren stehen. Von Krone steht nichts in der Schpfungserzhlung der Bibel. Da bekommt der Mensch den Auftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren. Das ist etwas Anderes als Ausbeutung.
Albert Schweitzer spricht von der Ehrfurcht vor dem Leben, die wir Menschen entwickeln sollen. Schon als Kind hat er den toten Kfer am Wegesrand betrachtet und gesprt: Da ist etwas, das lebt, das um sein Dasein ringt wie du. Der Kfer erfreut sich an der Sonne wie du. Er kennt Angst und Schmerzen wie du und ist am Ende nichts mehr als verwesende Materie. Wie du.
Ich empfinde vieles so wie er. Ich rette Kfer vom Wanderweg, damit sie nicht zertrampelt werden. Finde ich einen toten Vogel, lege ich ihn in ein Bett aus Laub und Zweigen. Aber es fllt mir schwer, Vegetarierin zu werden, obwohl ich das folgerichtig fnde. Dennoch: Ich bin auf dem Weg, ich will es versuchen. Lambarene, der Name von Schweitzers Krankenhaus, heit bersetzt: Wir wollen es versuchen!
Ehrfurcht vor dem Leben kann jede und jeder entwickeln. Sie beginnt vor der eigenen Haustr, begleitet vom Frhlingsgesang der Amsel. Winterlinge, Krokusse und Tulpen quetschen sich durch das harte Erdreich ans Licht weil sie leben wollen. Blaumeisen suchen eifrig nach Baumaterial fr ihr Nest weil sie leben wollen. Halsbandsittiche leben ursprnglich im sdlichen Afrika und in Indien, haben sich mittlerweile aber in den Parks von Kln und Paris eingerichtet. Im Central Park in New York hat die Weifumaus ein Gen ausgebildet, mit dessen Hilfe sie fettreiche Nahrung wie Pizza und Hot Dog besser verdauen kann. Und das alles, weil diese Lebewesen leben wollen.
Mir ntigt das eine gehrige Portion Ehrfurcht vor dem Leben ab. Vor dem Einfallsreichtum und dem Lebenswillen. Im Frhling kann man das an jeder Ecke mit Hnden greifen, spren, riechen. Der Wille zum Leben liegt in der Luft. Alles spriet und wchst und singt und buddelt und hpft und freut sich am Leben.
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut, steht in der Schpfungsgeschichte der Bibel. Alles ist sehr gut. Alle wollen leben und ich mittendrin.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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