Widerstand und Ergebung

Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrerin Silke Niemeyer

aus Mnster

Widerstand und Ergebung 09.04.2025

Heute vor achtzig Jahren ist Dietrich Bonhoeffer ermordet worden, der Pastor und Widerstndler gegen Hitler. Er wurde im KZ Flossenbrg gefoltert und gehenkt. Lange und qualvoll, wie sein Mithftling bezeugt. Ganz und gar nicht so, wie spter der SS-Lagerarzt aufschrieb: An der Richtsttte selbst verrichtete er noch ein kurzes Gebet und bestieg dann mutig und gefasst die Treppe zum Galgen. Der Tod erfolgte nach wenigen Sekunden. Ich habe in meiner fast 50jhrigen rztlichen Ttigkeit kaum je einen Mann so gottergeben sterben sehen.

So war es nicht. Der SS-Mann hat eine kitschige Lge in die Welt gesetzt. Er hat den Angstschwei von Bonhoeffers Sterben gewischt und es mit Heldenmut bekleckert.

Es ist unredlich, geradezu ein Vergehen, aus Dietrich Bonhoeffer einen bermenschlichen, gottergebenen, furchtlosen Helden zu machen. Das war er nicht und wollte es auch nicht sein. Er hatte Furcht und hat in seiner Furcht gehandelt. Er ist nicht vor den Nazis gekrochen. Er hat nicht gewartet, dass die anderen was tun. Darum sind so viele Straen und Schulen nach ihm benannt. Weil er Vorbild sein soll. Ich finde es unheimlich schwer, mir einen Menschen zum Vorbild zu nehmen, der im Gefngnis sa oder sogar den Mrtyrertod gestorben ist: Sophie Scholl, Martin Luther King, Alexej Nawalny und eben auch Dietrich Bonhoeffer. Die sind so himmelweit weg. Wenn ich diese Namen hre, denke ich, ehrlich gesagt: Boah, das knnte ich nie!

Makellose, unerschtterbare Vorbilder spornen nicht nur an, sie knnen auch entmutigen. Und wenn man genau hinschaut, gibt es sie eigentlich gar nicht alle haben ihre Schwchen und schwachen Momente. Sie hatten Angst. Sie wollten nicht sterben. Was sie wollten? Sie wollten leben, gut leben. Deshalb haben sie angefangen zu handeln.

Dietrich Bonhoeffer hat sich, als er noch sehr jung war, mit einem jungen franzsischen Pfarrer unterhalten. Sie haben die Zukunft noch vor sich und reden darber, was sie mit ihrem Leben eigentlich wollen. Der andere sagt: Ich mchte ein Heiliger werden. Dietrich sagt: Ich mchte glauben lernen. Viel spter, im Gefngnis, erinnert er sich daran und schreibt: Lange Zeit habe ich die Tiefe dieses Gegensatzes nicht verstanden. Ich dachte, ich knnte glauben lernen, indem ich selbst so etwas wie ein heiliges Leben zu fhren versuchte. (...) Spter erfuhr ich und ich erfahre es bis zur Stunde, da man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt. Wenn man vllig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen. Fr Bonhoeffer geht es darum, in der Flle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten zu leben und sich dabei Gott in die Arme zu werfen.

In der Flle der Aufgaben leben, das sagt sich scheinbar so leicht: im Beruf gut sein, das Klima retten, fr die Kinder sorgen, den alten Vater untersttzen. Und die Hungernden in der Welt nicht vergessen. Und auch noch etwas gegen Hass und Unfrieden unternehmen: Alles so viel! Stimmt, und es wird auch nicht weniger, auch nicht die Fragen, auch nicht die Ratlosigkeiten. Oder vielleicht doch? Vielleicht sieht das alles anders aus, wenn ich es mit Vertrauen anfange, damit, mich Gott in die Arme zu werfen.

Sich Gott in die Arme werfen und vertrauen. Dazu hat Bonhoeffer in spteren Jahren einen wunderbaren Glaubenssatz gesagt: Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.

Zu diesem Satz von Dietrich Bonhoeffer greife ich, wenn die Welt aussichtslos und die Kraft nicht zu reichen scheint. Meine Kraft reicht oft nur zum kleinen Widerstand. Aber der ist so wichtig, damit nicht irgendwann der groe lebensgefhrliche Widerstand ntig wird.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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