Mut zur Demut

Shownotes

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Gedanken zur Woche im Deutschlandfunk

Pfarrerin Heidrun Drken

aus Frankfurt am Main

Mut zur Demut 11.04.2025

Es war eine archologische Sensation vor wenigen Monaten: Ein kleines Silberamulett mit dem frhesten christlichen Bekenntnis nrdlich der Alpen, das bis heute gefunden wurde. Entdeckt in meiner Heimatstadt Frankfurt am Main. Vor 1.800 Jahren wurde hier ein Mann damit bestattet bei einer rmischen Siedlung. Der Verstorbene hat ein Bekenntnis zu Jesus Christus um den Hals getragen, eingeritzt auf eine dnne Silberfolie. Sie ist zu einem Amulett gerollt, etwas grer als drei Zentimeter. Entrollt wre es kaputt gegangen. Mit moderner Technik konnte man die Schrift in der Rolle scannen und entziffern.

Ich denke an diesen Mann und sein Bekenntnis am Ende einer Woche mit der Koalitionsvereinbarung, ein wichtiger Schritt zur Regierungsbildung. Ich denke an die Worte auf dem Silberamulett, weil sie auf eine Haltung anspielen, mit der friedliche und freiwillige Vereinbarungen gelingen knnen. Auch Koalitionen. Es geht um die Haltung der Demut.

Demut ist ein Wort aus alter Zeit. Und ist doch ntig, wo es weltweit mehr und mehr um Einzelinteressen geht und immer mehr auf dem eigenen Standpunkt beharren. Ohne Demut kann man keine Kompromisse schlieen. Zu ihr gehren Bescheidenheit, Migung und Klugheit. Mit ihr bernehme ich Verantwortung - auch fr eigene Fehler.

Wer demtig ist, ist aber nicht unterwrfig. Er und sie ist sich eigener Strken wohl bewusst. Aber auch der Schwchen. Akzeptiert Unvollkommenheit. Demtige Menschen vermeiden bermigen Stolz und Anspruchsdenken. Pochen nicht auf den eigenen Status. Demut ist so etwas wie ein freiwilliger Status-Verzicht.

Die Inschrift auf dem antiken Silberamulett ist inspiriert von Worten des Neuen Testaments: Jesus Christus, der das Ebenbild Gottes war, klammerte sich nicht daran, Gott gleich zu sein, sondern verzichtete darauf (). Er erniedrigte sich selbst und war gehorsam bis zum Tod, ja, bis zum Tod am Kreuz.

Also bekennen sich der Mann im Grab aus rmischer Zeit sowie Christen heute zu einem, der den hchsten Status htte, aber darauf verzichtet hat. Jesus war Freund und Helfer der Geringen. Fr Jesus Christus sind Oben und Unten anders gewichtet, als ich das oft selbst tue: Letzte werden Erste. Und umgekehrt. Jesus nimmt es sogar auf sich, als verurteilter Verbrecher am Kreuz zu sterben. Die Botschaft des christlichen Glaubens ist: Gott bekennt sich zu Jesus. Gott gibt dieser Haltung von Demut recht.

Wir wissen nicht, ob und wie der Mann mit dem Silberamulett den christlichen Glauben gelebt hat. Ob er offen dazu stand oder heimlich Christ sein musste. Die meisten um ihn herum verehrten rmische Gttinnen und Gtter. Mehr noch: Der Kaiser von Rom lie sich vergttern.

Statt Machtkult zu betreiben, setzt das Bekenntnis zu Christus auf Demut. Sie ist kein Zeichen von Schwche. Jesus, der Gottessohn, macht es vor. Er klammert nicht an seiner Position. Er zeigt Mut zum Dienen.

Mut zur Demut braucht es in einer demokratischen Gesellschaft. Es braucht Menschen, die nicht sich selbst an erste Stelle setzen, sondern das Gemeinwohl.

Ich selbst brauche Mut zur Demut. Damit ich erkenne: Ringen um Macht und Status ist lebensfeindlich, auch das Mehr-Sein-Wollen als andere. Wer gottgleich der Hchste sein will, verhlt sich in der Regel nicht menschlich.

Auch wenn Christen selbst dem nicht immer gerecht werden, berliefern sie doch diese Wahrheit: Statusverzicht und Demut tun gut. Aufgeheizte Zeiten brauchen Frauen und Mnner, die auch mal von sich selbst absehen und vermitteln knnen. Die fr das Recht von allen eintreten, wo nur Meinungen geschrien werden. Die Kompromisse schlieen.

Wie unvollkommen das auch gelingt: Mir tut gut, diese Woche zu erleben, dass sich Verantwortliche in unserem Land darin ben.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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