Den Schmerz der anderen fühlen
Shownotes
Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/morgenandacht/15003/den-schmerz-der-anderen-fuehlen
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrerin Ines Bauschke
aus dem Elbmarsch
Den Schmerz anderer fhlen 24.04.2025
Was ihr einem meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan. (Matthus 25,40) Das sagt Jesus. Elementare Worte in einer unbarmherziger werdenden Zeit. Worte von Barmherzigkeit und Mitgefhl. Wichtig, um andere Menschen zu verstehen, um ihren Schmerz und ihre Angst mitfhlen zu knnen.
Mariann Edgar Budde, die anglikanische Bischfin von Washington D.C., hat diese Worte ernstgenommen. Sie hat Ende Januar an den frisch eingefhrten Prsidenten der USA appelliert, Mitgefhl zu entwickeln: fr die ngste der Einwanderer, die auf seine Anweisung hin abgeschoben werden sollten. Fr die ngste queerer Menschen. Die Bitte der Bischfin um Mitgefhl stie auf taube Ohren.
Denn die Bitte ist vergeblich, wenn Barmherzigkeit bei der eigenen Familie, der eigenen Sippe, Nation oder Volksgruppe endet. Jesus aber meint mit den geringsten Brdern und Schwestern auch die Anderen, die Fremden, diejenigen, die vermeintlich nicht dazu gehren. Jesus sagt zu denen, die Barmherzigkeit walten lassen: Ich bin fremd gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. (Matthus 25,35)
Mitgefhl kann man lernen. Den Schmerz der anderen mitzufhlen, ist die Grundlage jeder Seelsorge. Und Seelsorge ist eine Kernaufgabe der Kirche.
Die Theologin Nika Hfler hat zu diesem Thema ihre Doktorarbeit geschrieben. Sie wollte wissen: Welche Wirkung hat es, wenn ein Mensch fr einen anderen da ist, zuhrt, mitfhlt? Dafr hat sie Gesprchsprotokolle von Klinikseelsorgern und Klinikseelsorgerinnen ausgewertet. Deren Beruf ist es, sich einzufhlen in die Situation und Gefhle anderer.
Ein Ergebnis von Nika Hflers Forschung: Es ist wichtig, offen zu sein fr die Verletzlichkeit seines Gegenbers. Leben ist zerbrechlich. Wer fr Menschen in Krisen da sein will, muss sich mit der eigenen Verletzlichkeit auseinandersetzen. Denn das verbindet Seelsorgerin und Ratsuchenden. Verletzlich sind sie beide. Sie teilen die Erfahrungen von Not und Trauer und die Angst vor der eigenen Endlichkeit.
Nika Hfler nennt das etwas sperrig die Vulnerabilittskompetenz, also die Fhigkeit, die eigene Verletzlichkeit zu kennen und Verstndnis aufzubringen fr die Zerbrechlichkeit eines anderen Menschen.
Ich glaube, Gott macht uns das vor. Gott selbst hat sich verletzlich gezeigt: Schon im neugeborenen Kind Jesus. Bedrftig von klein auf, ohne festes Dach ber dem Kopf, bedroht von der rmischen Besatzungsmacht. In diesem hilflosen Wesen ist Gott auf die Welt gekommen.
Auch wenn Jesus machtvoll gepredigt und gehandelt hat, so war er doch verletzbar. Nicht Strke und Gewalt zeichnen Jesus aus. Oft wurde er angefeindet, und er starb einen qualvollen Tod am Kreuz. Aus dem ihn Gott auferweckt hat. Wir kommen von Ostern her. Jesus ist auferstanden. Der sich in seinem irdischen Leben so verletzlich wie barmherzig gezeigt hat. Der mitfhlen konnte mit dem Leid anderer. Der nicht den starken Mann markieren musste.
Leider hat es Konsequenzen, wenn jemand seine schwache Seite ignoriert, seine eigene Verletzbarkeit leugnet. Dann landet er schnell auf der Seite derer, die ihre eigene Schwche in anderen zu bekmpfen suchen. Auch diejenigen, die zerstrerisch agieren, anderen Gewalt antun, sind verletzliche Menschen. Das verdrngen viele. Und schlagen stattdessen zu. Oft sind es Mnner. Die Verherrlichung mnnlicher Strke, sogenannte toxische Mnnlichkeit wirkt zerstrerisch. Sie schadet beiden, Opfer und Tter.
Das Leben Jesu ist ein Gegenentwurf zum Prinzip der Strke um jeden Preis. Seine Botschaft heit: Seid barmherzig. Was ihr einem meiner geringsten Mitmenschen getan habt, das habt ihr mir getan. In Jesus finde ich mich mit meinen ngsten wieder. Das sensibilisiert fr die Schwche anderer. In der Verletzlichkeit Jesu begegnet uns Gott und fhlt mit.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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