Aufblühen

Shownotes

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrerin Ines Bauschke

aus dem Elbmarsch

Aufblhen 26.04.2025

Blh auf, gefrorner Christ;

Der Mai steht vor der Tr,

Du bleibest ewig tot,

Blhst du nicht jetzt und hier."

Diese Verse stammen vom Mystiker und schlesischen Barockdichter Angelus Silesius.

Blh auf, gefror'ner Christ. Im Geiste sehe ich einen erstarrten Menschen vor mir. Der nicht mehr fhlen kann. Keine Liebe, kein Mitgefhl, keine Freude. Es muss viel Bses geschehen, damit ein Mensch derart erkaltet: Gefhle, die nicht erwidert werden, fehlendes Mitleid, Gewalterfahrungen.

Mich erschreckt wie viele andere auch das politische Chaos, mit dem die USA die ganze Welt in Mitleidenschaft zieht. So ein Klteschock macht erst einmal handlungsunfhig. Die Schreckensstarre ist aber auch eine Schutzreaktion des Krpers. Wenn die Seele versucht, sich vor einer berwltigenden Bedrohung zu schtzen, dann frieren die Gefhle ein. Der Krper erstarrt wie bei Tieren, die sich totstellen, wenn sie nicht flchten knnen.

Wichtig ist es, sich aus dieser Erstarrung wieder zu lsen. Doch der Weg zurck ins Leben braucht Zeit. Die Worte des Dichters ermuntern dazu. Angelus Silesius lockt mit Frhlingsbildern: Blh auf, du eingefrorener Christenmensch. Der Mai steht vor der Tr.

Nicht von ungefhr hat der Dichter ein Bild aus der Natur gewhlt. Mir gefllt dieses erdverbundene Bild, das er fr den Prozess eines Menschen zeichnet. Aufblhen im Mai. Langsam wchst etwas Neues heran. Das neue Leben kommt aus der Erde, nicht etwa aus dem Universum mit seinen Raketen und Satelliten. Geschwindigkeit spielt keine Rolle. Wachsen ist ein langsamer Vorgang. Wer aufblht, bentigt Geduld. Alles Lebendige braucht Zeit, sich zu entwickeln. Ich halte diese Langsamkeit fr einen Segen.

Dieses langsame Wachsen geschieht jetzt, in der Gegenwart. Der Dichter schreibt vom Blhen jetzt und hier. Was mir nach Schrecken und Entsetzen das Gefhl fr mein eigenes Leben wiederbringt, ist in der Tat die Erfahrung der Gegenwart. Jetzt und hier den Garten bepflanzen. Eine Blume betrachten. Meine Sinne verbinden mit dem, was mich umgibt.

Es ist gerade schn drauen. Der Mai steht vor der Tr. Ich versuche, mich auf das zu konzentrieren, was ich selbst beeinflussen kann. Denn weder den Ukrainekrieg noch die Klimakrise kann ich als Individuum lsen. Ich mchte mich nicht um meine Gegenwart bringen, indem ich mich stndig mit meinen Zukunftssorgen beschftige. Und vielleicht kann ich auch vor meiner Haustr etwas Gutes bewirken.

Der Dichter Angelus Silesius wurde zur Zeit des Dreiigjhrigen Krieges geboren. Sein poetisches Werk Der Cherubinische Wandersmann handelt von der Suche nach Gott. Auch die Verse ber den erstarrten Christ stammen daraus. Angelus Silesius ging es um Gott. Gotteserkenntnis war fr ihn eng mit dem menschlichen Dasein verbunden. Gotteserfahrung passiert fr ihn im Menschen, in der Seele und auch im Krper. Er dichtet:

Halt deinen Leib in Ehrn, er ist ein edler Schrein,

in dem das Bildnis Gotts soll aufbehalten sein.

Gottes Bild im eigenen Leib. So eine groe Bedeutung hat das leibliche Leben fr den Dichter. Halt deinen Leib in Ehrn und Blh auf, gefrorner Christ. Den eigenen Krper achten, Sinn haben fr das Aufblhen der Natur - darin erlebt der Mystiker die Verbundenheit mit Gott, jetzt und hier.

Ich lese in seinen Worten einen Aufruf zur seelischen Selbstfrsorge. Wie wichtig es ist, sich um sein Wohlbefinden zu kmmern. Im eigenen Krper das Bildnis Gottes aufbewahrt zu wissen, ein Bild des Lebens: Das ist eine wahrhaft mystische, geheimnisvolle Vorstellung von Gottes Gegenwart in einem Menschen - die aufblhen lsst. Sie nimmt den Bedrohungen der Gegenwart ihren Schrecken. Sie lst Erstarrungen.

Ich merke, wie sich mein Krper entspannt, wenn ich eine kleine bung versuche: nmlich zu lcheln. Wenn ich lchele, verndert sich mein Krper. Meine Gesichtsmuskeln entspannen sich. Ich spre eine Leichtigkeit, die langsam durch den Krper zieht. Ich denke an den Frhling, mit einem Lcheln, und freue mich. Ja, der Mai steht vor der Tr. Jetzt und hier.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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