Einschalten, um abzuschalten

Shownotes

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrerin Ulrike Greim

aus Erfurt

Einschalten um abzuschalten 07.05.2025

Hatten Sie das dieser Tage zufllig gesehen? Es war ein richtiger Hype auf Social Media, und im Fernsehen, das man gestreamt im Internet weltweit sehen konnte, mit wachsender Fangemeinde. Und vor allem absolut gegen den Trend. Denn es ging um etwas sehr Langsames. Keine Zwei-Sekunden-Schnitte, kein Typ, der dir in Windeseile irgendetwas verklickern will, sondern das Gegenteil: ganz lange Kamerafahrten, ganz behutsame Schwenks, und vor allem schne Natur. Kaum zu glauben, aber wahr: Die Elchwanderung wurde live im schwedischen Fernsehen bertragen. Diesmal Ende April. Und ich habe staunend reingeschaut.

Whrend einem die Nachrichten zur absoluten Kurzatmigkeit erziehen, kamen hier: ellenlange Kameraeinstellung auf einen Tmpel. Es bewegt sich kaum etwas, drre Hlmchen ragen aus dem Wasser. Man hrt Wind und ein paar Vgel zwitschern. Irgendwo weit weg schnattern ein paar Enten. Sonst nichts. Minutenlang.

Sind da Elche? Da sind gerade keine Elche. Man kennt zwar die Route, die sie nehmen, aber wann genau sie erscheinen, das wei man nicht.

Es ist ein bisschen, wie auf einem Hochsitz im Wald. Das kann schon mal dauern, eh man Wild sieht. Aber langweilig ist es nicht.

So schn, denke ich. Intakte Natur, Elche, die seit Jahrtausenden ihre Route kennen, genau wie die Vgel, die Jahr fr Jahr wissen, wann und wohin sie losfliegen und wo sie landen wollen. Alles ist in Bewegung, ruhig, flieend.

Da sind die aufgeblasenen politischen Wichtigtuer weit weg. Und ihre neuesten Provokationen auch.

Jetzt sehen wir eine Wiese, ein Fuchs schleicht darber. Majesttisch sitzt ein groer Greifvogel auf einem groen Stein. Ist das ein Bussard? Alles ist ruhig, und doch ist es spannend. Werden Fuchs und Bussard sich vertragen? Ja, sie respektieren einander.

Krieg in Gaza ist weit weg. Hungernde Kinder im Sudan auch. Neue Bombenbilder aus der Ukraine.

Jetzt sehen wir grnen Waldboden und Birken, ein bisschen Himmel blitzt durch, er ist grau. Wir hren einen Kuckuck und Windrauschen. Sonst nichts. Etwas bewegt sich. Etwas Dunkles. Sind das Elche? Ja, das sind Elche.

Das schwedische Fernsehen hat die ganze Elchroute mit Kameras ausgestattet. Und da laufen sie nun tatschlich durch den Wald. Gemchlich, majesttisch und voller Ruhe. Dann stehen sie da. Fressen, schauen.

Da ist die Welt in Ordnung. Eine verwegene Idee schleicht sich dazu: Ist vielleicht sogar berhaupt die Welt in Ordnung? Weise geordnet? Nur wir sind in unseren Kpfen berhitzt? Krank vor Schnelligkeit? Vor Angst, vor Wut? Die Elche ziehen ihre Bahn, sie fhlen den Weg. Die Bussarde sitzen auf ihren Steinen und fangen ihre Beute. Die Fchse kennen ihre Reviere. Die Sonne geht auf, die Wolken ziehen dahin, die Sonne geht unter. Der Mond erscheint, die Sterne ziehen ihre Bahnen. Gott atmet ein und aus.

Jetzt bekomme ich Lust, mich an einen See zu setzen und aufs Wasser zu schauen. Nur zu hren, welche Vgel gerade aktiv sind. Ob der leichte Wind irgendwelche winzigen Wellen kruseln lsst, ob Schilf rauscht. Und ob die Wellen in meiner Seele abebben. Nur durch das Schauen. Vermutlich ist ja alles da, was wir brauchen. Wir finden es in der unfassbar schnen Komplexitt namens Schpfung. An jedem kleinen Tmpel. In jedem Birkenwldchen. Jeder Monolith kann zum Wellenbrecher fr unsere aufgescheuchte Seele werden. Gott ist gro.

Danke an das schwedische Fernsehen fr Slow-TV. Ich bin nchstes Jahr gerne wieder mit dabei.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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