Frieden malen
Shownotes
Die Andacht zum Nachlesen und -hören gibt es auch hier inklusive Download: https://rundfunk.evangelisch.de/morgenandacht/15008/frieden-malen
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Morgenandacht im Deutschlandfunk
Pfarrerin Ulrike Greim
aus Erfurt
Frieden malen 08.05.2025
Es sind die handschriftlichen Notizen eines berlebenden in seinem Tagebuch, sein Eintrag vom 8. Mai:
Irgendjemand drehte am Knopf unseres Rundfunkapparates und suchte den ther ab. berall Jubel. Aus London ertnte der vibrierende Siegessong, das Victory-Zeichen wurde gemorst, begeisterte Stimmen sangen die Marseillaise, die feierliche getragene Melodie der Sowjethymne erklang und das Glockenspiel aus dem Kreml, die Berliner kamen aus den Ruinen hervor, um zu feiern.
So schreibt es vor achtzig Jahren der damals 15-jhrige Thomas Geve in sein Notizheft. Er ist im DP-Camp Buchenwald. So heit das jetzt hier, wo das KZ war, und nun die berlebenden sein knnen, im gnstigen Fall gepflegt werden, bis sie in der Lage sind, dem Heimweg anzutreten. DP fr Displaced Persons, wie die Aliierten sie nannten mehrere Millionen Menschen, von den Nazis aus ihren Heimatlndern verschleppt, in KZs gesperrt und nun befreit, aber hufig krank oder orientierungslos oder aber ohne Chance, gerade einen Transport in die Heimat zu finden.
Thomas Geve ist so einer, er hat Auschwitz berlebt, dann Gro-Rosen, und war ab Februar 1945 in Buchenwald. Hier notiert er:
8. Mai 1945: Waffenstillstand mit Deutschland. Der Krieg in Europa war vorber. Der Faschismus hatte kapituliert.
Jubel, gemorstes Victory-Zeichen, Marsellaise, Siegessong und Sowjethymne. So klingt Sieg, aber wie klingt eigentlich Frieden? Und wie mag er in den Ohren dieses 15-Jhrigen geklungen haben, dem da noch ganz anderes in der Seele gedrhnt haben musste. Und wie sieht Frieden aus?
In seinen Notizen beginnt Thomas, sich etwas von der Seele zu schreiben und zu malen. Er zeichnet mit Buntstiftstummeln auf ehemaligem SS-Formularpapier. Auf einem Bild sieht man das charakteristische Lagertor. Stacheldraht, dahinter: Panzer. Menschen in blauen Anzgen, die frhlich Arme schwenken und darunter der Schriftzug: Wir sind frei.
79 dieser jugendlich-naiven Zeichnungen sind erhalten geblieben. Sie dokumentieren das Grauen sehr przise.
Die Seele scheint eine enorme Kraft zu haben. Das spricht aus den Bildern. berwinder-Energie. Wo kommt die her? Und wie groartig ist das?!
Thomas Geve kommt nach 1945 wieder zu Krften, via Schweiz schafft er es, nach Grobritannien auszuwandern zu seinem Vater. Spter emigriert er nach Israel und wird Bauingenieur. Er stirbt 2024 in Haifa.
Kinder werden auch heute an vielen Orten Opfer schwerer Gewalt. Malen und Musik vermgen diese Situationen nicht einfach aus der Welt zu schaffen, beide knnen aber der Seele helfen.
Also, gebt den Kindern Buntstifte und Papier! Lasst sie malen. Trumen. Erzhlen, was in ihnen ist, der Schrecken, die Hoffnung, Verrat und Liebe.
Sie sollen selbst ein Bild davon bekommen, wie es ist, wenn die Hoffnung wchst, dass es wirklich vorbei ist. Damit die Seele Ballast abwerfen kann. Und wieder atmen. Die Chance, zu trumen.
Das wnsche ich allen Kindern in der Ukraine, in Gaza, in Israel, im Sudan, an allen Orten, in denen sie in Gefahr sind. Sie mgen befreit werden, von displaced auf beheimatet wechseln, einen sicheren Ort finden und Papier und Stifte. Und Musik, die vom Frieden spricht.
In den Erinnerungen an den 8. Mai schreibt Thomas Geve:
Ich drehte mich auf meinem Kopfkissen um und berlegte. Es war Frieden. Was wrden wir daraus machen? Bald wrde ich 16 Jahre alt sein. Nicht mehr lange und auch ich knnte mitreden. Dann schlief ich ein und trumte von der Zukunft.
Es gilt das gesprochene Wort.
Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)
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