Wenigstens würdig bestatten

Shownotes

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Morgenandacht im Deutschlandfunk

Pfarrerin Ulrike Greim

aus Erfurt

Wenigstens wrdig bestatten 10.05.2025

Es war ein Sonntag vor 80 Jahren, Anfang Mai 1945. In Thringen ist es allen klar, dass sich jetzt, wo die Amerikaner da sind, vieles ndert. Dass der Wind anders weht. Dass unangenehme Fragen gestellt werden. Wer was gesehen hat. Wer geholfen hat. Wer war involviert, wer dagegen. Man sprach ja nicht darber, aber natrlich wusste man, was da oben auf dem Ettersberg passiert ist. Das Konzentrationslager Buchenwald hatte ein Krematorium. Und die Asche der verbrannten Gefangenen war weit ins Weimarer Land geflogen. Und nun sind die Hftlinge, die berlebt haben, frei. Und sie reden.

An jenem Sonntag im Mai versammeln sich 350 Menschen am Ortsausgang von Lehnstedt bei Weimar zu einer Beerdigung. Nicht ganz freiwillig. Der Brgermeister hatte vorher einen Aushang gemacht. Er erwarte, dass das ganze Dorf teilnimmt. Es wrde als Beweis dafr gelten, dass man an den Verbrechen der SS-Bestien nicht mitschuldig sei. So heit es in einer Dokumentation der Gedenksttte Buchenwald.

Viele sind gekommen. Mnner, Frauen, Kinder.

Was war passiert?

Vier Wochen vorher war wieder einmal ein Zug Hftlinge durch das Dorf gekommen. Aus Buchenwald. Einer der Zge, die man spter Todesmrsche nennen wrde. Weil es schon Abend war, hatten sie in einer Scheune im Dorf bernachten sollen. Sie bekamen weder Wasser noch Brot, Mitleid lieen die SS-Mnner und ansssige Nationalsozialisten nicht zu. War es, weil gegen Kriegsende niemand mehr genau hinschaute, und scheinbar alles erlaubt war? War es Blutrausch? Jedenfalls schoss die SS in die dicht zusammengedrngten Menschen. Die Leichen wurden anschlieend auf einem benachbarten Feld verscharrt.

Das war Anfang April. Am 11. April waren die Amis gekommen. Und nun war Buchenwald frei. Einige Hftlinge hatten berlebt auch diesen besagten Todesmarsch. Anfang Mai kamen sie in das Dorf Lehnstedt zurck und forderten, die Toten auszugraben, zu identifizieren und zu beerdigen. Zehn bekannte Nationalsozialisten aus dem Dorf mussten das tun.

Ein Foto zeigt frische Holzsrge in einem offenen Grab. Davor ein amerikanischer Militrrabbiner mit einem Buch in der Hand. Neben ihm offensichtlich der Brgermeister. Weiter entfernt irritiert schauende Menschen, auch Kinder.

Heute wird in Lehnstedt immer noch gerungen, ob daran erinnert werden soll oder nicht.

Denn es steht ein Gedenkstein im Ort, vor nicht allzu langer Zeit wurde dort auch ein Baum gepflanzt. Ein Baum aus dem Projekt 1000 Buchen, die an die Todesmrsche erinnern. Teil des lebendigen Erinnerungsweges.

Heimlich haben bisher Unbekannte diesen Baum mutwillig abgebrochen. Ein beschmendes und jmmerliches Bild.

Es wurde bekannt, viele haben jetzt erst recht wieder gespendet, im Oktober 2023 dann wurde ein neuer Baum gepflanzt. Besser gesagt: zwei. Zwei Kugel-Ahorne.

Sie mgen blhen und reiche Krone tragen.

Denn wir brauchen Bume, die zu uns sprechen und Steine, die schreien. Und wir brauchen Menschen, die erzhlen, wie es war. So detailliert, wie mglich. Damit sich niemand die Hnde in Unschuld waschen kann.

Und auch, damit wir die Mechanismen verstehen, wer wann zu viel Macht bekommt. Wie wir Solidaritt lernen. Damit wir wissen, wem wir die Hand reichen mssen. Wem wir widerstehen mssen, auch wenn es uns etwas kostet.

Es gilt das gesprochene Wort.

Redaktion: Pfarrer Martin Vorlnder (martin.vorlaender@gep.de)

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